Amerika und die Gegenwart
"Die freien Völker der Welt erwarten von uns, dass wir ihnen helfen, ihre Freiheit zu bewahren."
Harry S. Truman
Botschaft an den Kongress vom 12. März 1947.
Der Ausbruch des ersten Weltkrieges bedeutete für das amerikanische Volk ein jähes Erwachen, denn die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit war im Jahre 1914 völlig von der Innenpolitik in Anspruch genommen, und Europa lebte in ihren Vorstellungen vor allem als Träger einer stolzen kulturellen Tradition. Doch es dauerte nicht lange, und amerikanische Politiker wie auch die breiten Massen bekamen die Auswirkungen des Konflikts, der sich anfangs in so weiter Ferne abzuspielen schien, in zunehmendem Masse sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Leben zu spüren. Die Industrie erhielt 1915 nach einer leichten Depression durch die Rüstungsaufträge der Alliierten neuen Auftrieb; die politischen Leidenschaften wurden durch die Propaganda beider kriegführender Parteien aufgepeitscht, und die englischen Massnahmen gegen die amerikanische Hochseeschiffahrt gaben der Regierung Wilsons ebenso Anlass zu scharfen Protesten wie die deutschen. Im Laufe der Monate rückte jedoch die diplomatische Auseinandersetzung zwischen Amerika und Deutschland immer mehr in den Vordergrund.
Im Februar 1915 hatte die deutsche Marineleitung ihre Absicht verkündet, alle die Gewässer um die britischen Inseln befahrenden Handelsschiffe zu versenken. Präsident Wilson dagegen machte in seiner Antwort darauf aufmerksam, dass die Vereinigten Staaten ihr traditionelles Recht auf Freiheit im Überseehandel nicht aufgeben würden, und erklärte, dass die USA Deutschland für alle Schäden an amerikanischen Schiffen und Staatsangehörigen „für voll verantwortlich halten" werde. Die deutsche Regierung antwortete ihrerseits, dass die von den Alliierten gegen Deutschland verhängte Blockade eine noch viel brutalere Waffe sei als selbst der uneingeschränkte U-Boot-Krieg, da sie einen grossen Teil der Zivilbevölkerung dem Hunger aussetzte, während der U-Boot-Krieg nur diejenigen in Mitleidenschaft zöge, die freiwillig ihr Leben auf dem Atlantik aufs Spiel setzten. Der U-Boot-Krieg jedoch war voll von Drama und erregte Aufsehen, während die Blockade langsam und unauffällig wirkte, und als im Frühjahr 1915 der englische Ozeandampfer Lusitania mit fast 1200 Menschen, darunter 128 Amerikanern, versenkt wurde, rief dieses Ereignis in Amerika ungeheure Empörung hervor.
Solche Schwankungen in der Haltung der Öffentlichkeit machten es Präsident Wilson, der wie kaum je ein Präsident seit Jeffersons Zeiten an den Frieden glaubte, unmöglich, eine konsequente Aussenpolitik zu führen; zu Beginn des Krieges hatte er seine Landsleute aufgefordert, „unparteiisch im Denken wie im Handeln" zu bleiben, und in einem Briefe aus der gleichen Zeit findet sich die Bemerkung, dass es für die Vereinigten Staaten ein grosses Unheil wäre, wenn sie in den Konflikt verwickelt „und damit jedes uneigennützigen Einflusses zu seiner Beilegung beraubt" würden. Aber Wilson - und viele seiner Berater - waren ebenso davon überzeugt, dass ein Sieg Deutschlands die Herrschaft des Militarismus über Europa bedeuten würde und nicht nur die Sicherheit der Vereinigten Staaten, sondern auch die Verwirklichung seines eigenen Traumes vom Weltfrieden gefährden müsste.
Diese Befürchtungen schienen durch die Rücksichtslosigkeit bestätigt zu werden, die der U-Boot-Krieg angenommen hatte. Als sich die deutsche Regierung jedoch am 4. Mai 1916 verpflichtete, den amerikanischen Forderungen entgegenzukommen und den U-Boot-Krieg zu beschränken, schien die U-Boot-Frage gelöst zu sein. Im November wurde Wilson für eine zweite Amtsperiode zum Präsidenten gewählt - nicht zuletzt deshalb, weil seine Partei mit dem Rufe „Wilson hat uns aus dem Krieg herausgehalten" in den Wahlkampf gegangen war. Noch im Januar 1917 verlangte Wilson in einer Rede vor dem Senat einen „Frieden ohne Sieg" und erklärte, nur ein solcher Friede werde von Dauer sein.
Neun Tage später jedoch teilte die deutsche Regierung in einer Note die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges mit und veränderte damit die gesamte Situation, denn nun setzte sich allgemein die Überzeugung durch, dass der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg nicht mehr zu vermeiden war. Die Versenkung von fünf amerikanischen Schiffen folgte, und am 2. April 1917 forderte Wilson vom Kongress die Kriegserklärung an Deutschland. Die Regierung leitete unverzüglich die Mobilmachung der amerikanischen Streitkräfte, der Arbeiter, der Industrie und der Landwirtschaft ein; ein mächtiger Geleitzug nach dem anderen stach alsbald von amerikanischen Häfen in See, und bis zum Oktober 1918 war eine amerikanische Armee in Stärke von über 1,75 Millionen Mann nach Frankreich gebracht worden.
Als erste unter den amerikanischen Streitkräften trat die Kriegsmarine in Erscheinung und leistete den Engländern bei der Durchbrechung der U-Boot-Blockade entscheidende Hilfe. Im Sommer 1918 spielten dann aber auch frische amerikanische Truppen bei der Abweisung einer langerwarteten deutschen Grossoffensive eine ausschlaggebende Rolle zu Lande, und im November beteiligten sich mehr als eine Million amerikanischer Soldaten führend an der gewaltigen alliierten Offensive an der Maas und in den Argonnen, die den Durchbruch durch die vielgerühmte Hindenburglinie erzwang. Auch Präsident Wilson selbst nahm einen entscheidenden Einfluss auf den Gang der Kriegsereignisse. Es trug wesentlich dazu bei, das Kriegsende rasch herbeizuführen, dass er, der von allem Anfang an den Standpunkt vertreten hatte, dass der Kampf nicht gegen das deutsche Volk, sondern gegen dessen selbstherrliche Regierung geführt werde, die Kriegsziele der Alliierten ausdrücklich klarmachte. Im Januar 1918 unterbreitete er dem Senat seine berühmten Vierzehn Punkte als Grundlage für einen gerechten Frieden. Er verlangte die Beseitigung geheimer diplomatischer Vereinbarungen, Garantien für die Freiheit der Meere, die Niederlegung der zwischen den Ländern bestehenden Wirtschaftsschranken, Abrüstung und eine Neuordnung der kolonialen Ansprüche unter Berücksichtigung der Interessen der einheimischen Bevölkerungen. Weitere, konkreter formulierte Punkte zielten darauf hin, den Völkern Europas das Selbstbestimmungsrecht und eine ungehinderte wirtschaftliche Entwicklung zu sichern. Der vierzehnte Punkt des Programms fügte Wilsons Friedensgebäude den Schlusstein zu: er sah die Schaffung eines Völkerbundes vor, dessen Aufgabe es sein sollte, „grossen und kleinen Staaten in gleicher Weise gegenseitige Garantien für ihre staatliche Unabhängigkeit und für die Unverletzlichkeit ihres Gebietes" zu gewähren.
Als im Sommer 1918 die deutschen Armeen zurückgeschlagen worden waren, brach der Wille zur Fortsetzung des Krieges in Deutschland zusammen, und als vollends frische amerikanische Einheiten in steigender Zahl in Europa eintrafen, ersuchte die deutsche Regierung schliesslich Präsident Wilson, Waffenstillstandsverhandlungen auf der Grundlage der Vierzehn Punkte einzuleiten. Wilson überzeugte sieh davon, dass dieses Gesuch von Vertretern des deutschen Volkes und nicht von der Militärclique ausgegangen war, und einigte sich mit den übrigen Alliierten darüber, den deutschen Vorschlag anzunehmen. Auf dieser Grundlage wurde dann am 11. November 1918 der Waffenstillstand geschlossen.
Wilson, der gehofft hatte, dass der endgültige Friedensvertrag ein echter Verhandlungsfriede sein werde, sah sehr wohl, dass die vom Kriege erhitzten Leidenschaften die Alliierten zu harten Forderungen hinreissen könnten, und musste diese seine Befürchtungen bald bestätigt sehen. Er gelangte zu der Überzeugung, dass der Völkerbund, von dem er vor allem anderen die Sicherung des Friedens in der Welt erwartete, nie verwirklicht werden könne, wenn er den Forderungen der übrigen Alliierten nicht entgegenkomme, und liess sich deshalb bei den Pariser Friedensverhandlungen einen seiner Vierzehn Punkte nach dem andern abhandeln. Das Wenige, das er erreichte, war meist negativ: die Abtretung Fiumes an Italien wurde durch seinen Widerstand vereitelt, die Abtrennung des gesamten Rheinlands von Deutschland, wie sie - von Clemenceau beabsichtigt war, sowie die Annexion des Saargebiets durch Frankreich wurden von ihm verhindert und der Vorschlag, Deutschland mit den gesamten Kriegsschulden zu belasten, durch seinen Einfluss abgebogen.
Von Wilsons positiven Vorschlägen zur Herbeiführung eines grosszügigen und dauerhaften Friedens war schliesslich ausser dem Völkerbund nur wenig übriggeblieben, und Wilson erlebte das tragische Schicksal, dass sein eigenes Land es ablehnte, dem unter seinem Einfluss entstandenen Völkerbund beizutreten. Dazu hatte auch die Tatsache beigetragen, dass ihn sein politisches Urteilsvermögen in einem entscheidenden Augenblick im Stich liess: es war ein elementarer politischer Fehlei, kein führendes Mitglied der Opposition - der Republikanischen Partei - mit der amerikanischen Abordnung zu den Friedensverhandlungen nach Paris zu senden, und es war schwerwiegend, dass er sich in seinem Kreuzzug für den Eintritt Amerikas in den Völkerbund weigerte, selbst jene geringfügigen Konzessionen zu machen, die den vorwiegend republikanischen Senat für die Ratifizierung einer entsprechenden Vorlage gewonnen hätten. Nachdem er in Washington gescheitert war, versuchte er auf einer grossen Reise durch Amerika, das Volk direkt von seinem Standpunkt zu überzeugen, und vertrat seine Sache mit grösster Beredsamkeit. Die Anstrengungen der Friedensverhandlungen und die schwere Bürde seines Amtes während der Kriegszeit hatten jedoch an seinen Kräften gezehrt; am 25. September 1919 erlitt er in Pueblo im Staate Kolorado einen lähmenden Schlaganfall, von dem er sich nie mehr erholte. Im März 1920 wies der amerikanische Senat in der endgültigen Abstimmung sowohl den Versailler Vertrag als auch das Völkerbundsstatut zurück und brachte damit den Wendepunkt der amerikanischen Politik voll zum Ausdruck: Die Politik der Selbstbeschränkung (isolation) hatte begonnen, die idealistische Strömung mit Wilson ein Ende gefunden und einer Epoche der Lethargie das Feld geräumt.
Für die Präsidentschaftswahlen von 1920 stellte Wilsons eigene Partei den Gouverneur von Ohio, James M. Cox, der unter Wilson keine besonders ins Auge fallende Rolle gespielt hatte, als Kandidaten auf. Der überwältigende Sieg seines republikanischen Gegenspielers Warren G. Harding bewies jedoch eindeutig, wie tief sich die allgemeine Abneigung gegen die Ideen Wilsons eingeprägt hatte. Dies trat auch unter Harding, der es während des Wahlfeldzuges vermieden hatte, seinen Standpunkt zur Frage des Völkerbundes klar zu definieren, und seinen republikanischen Nachfolgern im Amt klar in Erscheinung; ihre Aussenpolitik folgte im grossen und ganzen der isolationistischen Linie.
Die von der Landwirtschaft abgesehen gute Konjunktur trug in den zwanziger Jahren ein Weiteres dazu bei, den konservativen Zug in der Politik der amerikanischen Regierung zu verstärken. Diese Politik liess sich von der Annahme leiten, dass die Prosperität allmählich alle Schichten der Bevölkerung erfassen müsse, wenn die Regierung nur nach besten Kräften für das Wohlergehen des privaten Unternehmertums sorge. So traten Handel und Industrie in den Mittelpunkt, ihr Gedeihen wurde zum A und O der Politik, und die im Geschäftsleben üblichen Methoden wurden auf alle anderen Gebiete übertragen. Wie Präsident Harding erklärte: „Was wir brauchen, ist eine Verminderung des Regierungseinflusses auf das Geschäftsleben und eine Verstärkung des Geschäftsgeistes in der Regierung." - „Amerikas Geschäft ist das Geschäft", echote Präsident Coolidge. - „Wir in Amerika", erklärte Präsident Hoover, „stehen dichter vor dem endgültigen Triumph über die Armut als je zuvor ein anderes Land in der Geschichte."
Aus solchen Gedankengängen heraus suchte die Politik der Republikaner möglichst günstige Bedingungen für die amerikanische Industrie zu schaffen. Die Zollgesetze von 1922 und 1930 richteten erneut hohe Zollschranken auf und räumten damit den amerikanischen Produzenten in einer Reihe von Gebieten Monopole auf dem heimischen Markt ein. Durch das zweite dieser Zollgesetze, den Smoot-Hawley Act von 1930, wurden derart hohe Zölle festgesetzt, dass mehr als tausend amerikanische Nationalökonomen Präsident Hoover ersuchten, ein Veto einzulegen. Sie sagten voraus, dass dieses Gesetz einschneidende Vergeltungsmassnahmen seitens anderer Staaten hervorrufen werde, und die Entwicklung nach 1930 hat ihre Voraussagen voll bestätigt. Die Bundesregierung nahm ferner auf Anregung des Finanzministers Andrew Mellon die Senkung der Steuern in Angriff; Mellon war der Ansicht, dass eine zu hohe Einkommensteuer die besitzenden Kreise davon abhalten werde, ihr Geld in neuen Industrieunternehmungen anzulegen, und der Kongress gab zwischen 1921 und 1929 durch eine Reihe von Gesetzen seine Zustimmung zu Mellons Vorschlägen und hob die im Kriege eingeführte höhere Einkommensteuer und die Steuer auf Kriegs- und Körperschaftsgewinne entweder ganz auf oder senkte sie erheblich.
Wenn immer die Prinzipien des privaten Unternehmertums auf dem Spiele standen, zogen die republikanischen Regierungen zu ihrer Verteidigung zu Feld. Die verschiedenen Transportation Acts von 1920 hatten noch in den letzten Monaten der Amtszeit des Präsidenten Wilson die Eisenbahnen des Landes von der scharfen Überwachung durch die Regierung, wie sie während der Kriegszeit bestanden hatte, befreit und sie den Unternehmern wieder unterstellt. Darüber hinaus verfügten die Gesetze, dass die Gewinne der einträglicheren Strecken zum Teil für den Unterhalt der weniger rentablen verwendet werden sollten. Die gleichen Grundsätze wurden auf die Handelsflotte angewandt, die sich zwischen 1917 und 1920 im Besitz der Regierung befunden hatte und weitgehend von ihr betrieben worden war. Auf Grund zweier in den Jahren 1920 und 1928 verabschiedeter Gesetze verkaufte die Regierung die Handelsflotte unter günstigen Bedingungen an private Unternehmer und gab die Garantie, dass die Verluste solcher Gesellschaften, die wenig einträgliche Schiffahrtslinien befuhren, ersetzt werden würden. Die Regierung gewährte überdies Darlehen für Schiffsneubauten, vergab günstige Postbeförderungskontrakte und half der Handelsflotte durch andere mittelbare Subventionen.
Am besten von allen vom privaten Unternehmertum beherrschten Industriezweigen fuhr wohl die Elektrizitätswirtschaft. Während des Krieges hatte die Regierung zwei grosse Stickstoffwerke am Fusse der Muscle Shoals, einer fast 60 Kilometer langen, von Stromschnellen durchsetzten Strecke des Tennessee, gebaut und entlang des Flusslaufes eine Anzahl von Staudämmen errichtet, um die dafür nötige elektrische Energie zu erzeugen. Im Jahre 1928 billigten beide Häuser des Kongresses eine Vorlage, um die Regierung zur Erzeugung und zum Verkauf von Kraftstrom an Privatpersonen zu ermächtigen; Präsident Hoover lehnte sie jedoch mit einem scharfen Veto ab, und erst unter Präsident Franklin D. Roosevelt wurde der Musterbetrieb der Tennessee Valley Authority (TVA, d.h. Tennessee-Talverwaltung) als Erweiterung des Projekts geschaffen.
Nirgendwo stiess die konservative Politik der republikanischen Regierung auf schärfere Kritik als in der Landwirtschaft, denn auf die Farmer entfiel der geringste Anteil an der Prosperität der zwanziger Jahre. In der Zeit zwischen 1900 und 1920 hatten die Farmen durch die steigenden Preise für Agrarprodukte eine allgemeine Blütezeit erlebt, und die beispiellose Nachfrage nach amerikanischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen während des ersten Weltkrieges hatte sich als starker Produktionsanreiz ausgewirkt. Die Farmer hatten bis dahin noch unbebauten, weniger fruchtbaren Boden oder seit langem brachliegende Anbauflächen im Kriege neu bestellt, und da der Dollarwert der amerikanischen Farmen sich verdoppelt und in verschiedenen Gegenden sogar verdreifacht hatte, hatten sie Waren und Maschinen erwerben können, die sie sich zuvor nie hatten leisten können. Gegen Ende des Jahres 1920 erlebte die auf die Erzeugung von Stapelprodukten eingestellte Landwirtschaft mit dem plötzlichen Fortfall der kriegsbedingten Nachfrage jedoch einen Niedergang, von dem sie sich nicht zu erholen vermochte, und die allgemeine Wirtschaftskrise nach 1930 trug weiter dazu bei, die bereits ernste Situation zu verschlimmern.
Unter den verschiedenen Ursachen, von denen sich die Depression in der amerikanischen Landwirtschaft herleiten lässt, war der Verlust einer Reihe von Auslandsmärkten wohl die wichtigste. In Ländern, aus denen die Vereinigten Staaten nichts importierten, konnten die Versuche amerikanischer Farmer, ihre Erzeugnisse abzusetzen, nur wenig Erfolge verbuchen, und so wurden die amerikanischen Exporteure von den argentinischen und australischen Viehzüchtern, den kanadischen und polnischen Specklieferanten, den argentinischen, australischen, kanadischen, russischen und mandschurischen Weizenexporteuren sowie von den indischen, chinesischen, russischen und brasilianischen Baumwollproduzenten verdrängt. Allmählich schlossen sich die Tore des Weltmarktes, und die Bevölkerung des eigenen Landes allein, die nicht mehr länger mit der gewohnten Schnelligkeit zunahm, vermochte den Rückgang in der Nachfrage nicht auszugleichen.
Als die Krise in der Landwirtschaft sich in den zwanziger Jahren verschärfte, wandten sich die Farmer mit Plänen und eindringlichen Hilferufen an die Bundesregierung. Meist forderten sie die Regierung auf, im Einvernehmen mit den Farmern den für den heimischen Markt bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine von dem zu exportierenden Überschuss verschiedene Behandlung zuteil werden zu lassen und die Preise auf dem Inlandsmarkt in einer Höhe festzusetzen, die eine gewinnbringende Bewirtschaftung ermöglichte; der Überschuss sollte zu den auf dem Weltmarkt gezahlten niedrigeren Preisen abgestossen werden. Einer der Pläne dieser Art wurde durch Veto des Präsidenten Coolidge zum Scheitern gebracht, und Präsident Hoover begünstigte freiwillige Massnahmen der Farmergenossenschaften zur Stabilisierung der Preise. Als seine Amtsperiode zu Ende ging, hatte sein Projekt jedoch noch nichts zur Lösung des Problems beigetragen.
Auch die Beschränkung der Einwanderung - ein weiteres Ergebnis der Entwicklung der zwanziger Jahre - war kennzeichnend für den gründlichen Wandel der amerikanischen Politik. Während der ersten fünfzehn Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hatten über dreizehn Millionen Menschen den Weg in die Vereinigten Staaten gefunden. Eine steigende Ablehnung der uneingeschränkten Einwanderung - aus einer Reihe von Gründen - war jedoch schon längere Zeit bemerkbar gewesen: die Idee, ein grosses Reich im Inneren besiedeln zu müssen, war aus dem amerikanischen Bewusstsein geschwunden, und das Land zeigte den neuen Einwanderern aus Süd- und Osteuropa gegenüber weniger Aufnahmebereitschaft als zuvor den Einwanderern aus Nord- und Westeuropa. Durch eine Reihe von Massnahmen, die in dem Gesetz über die Einwanderungsquote von 1924 gipfelten, wurde die alljährliche Einwandererzahl auf 150 000 beschränkt und diese Zahl auf die verschiedenen Nationalitäten im Verhältnis zur Anzahl ihrer im Jahre 1920 in den USA lebenden Landsleute verteilt. Das Gesetz hatte eine Auswahl der Einwanderer zur Folge und brachte durch die drastische Einwanderungsbeschränkung eine der grössten Völkerwanderungen der Weltgeschichte, die sich über dreihundert Jahre erstreckt hatte, zum Abschluss. Allein zwischen 1820 und 1929 waren über zweiunddreissig Millionen Menschen aus Europa in die Vereinigten Staaten eingewandert und hatten dort eine neue Heimat gefunden, ein neues Leben begonnen und die Kultur des Landes wesentlich bereichert.
Während auf diese Weise der Einwanderungsstrom bis auf ein schmales Rinnsal versickerte, fand umgekehrt eine Abwanderung von Amerikanern nach Europa statt, die zwar zahlenmässig nur gering, in anderer Hinsicht aber höchst bedeutsam war. Diese Auswanderer aus Amerika waren weder Arbeiter noch Bauern, sondern meist Schriftsteller und Intellektuelle, und ihr Auszug war nicht Teil einer grossen Völkerwanderung, sondern Ausdruck einer kritischen Haltung der amerikanischen Kultur gegenüber. Ihre Überzeugung, dass Kunst und Geisteswissenschaften in den Vereinigten Staaten keinen guten Boden finden könnten, hatte sie in die Emigration getrieben; Paris vor allem wurde ihr selbstgewähltes Exil. Diese amerikanische Kritik an Amerika - und es waren schon immer die Schriftsteller und Künstler gewesen, die ihre Ungeduld mit den nationalen Untugenden zum Ausdruck gebracht hatten - erreichte nach 1920 einen Höhepunkt, denn gerade die Prosperität dieser Epoche schien den Beweis dafür zu erbringen, dass in den Vereinigten Staaten eine übertrieben materialistische Lebensform Eingang gefunden hatte.
Noch eindringlicher vielleicht klang ihre Klage über amerikanischen „Puritanismus", der in dem Verbot der Herstellung und des Verkaufs alkoholischer Getränke, das nach fast einem Jahrhundert erregter Debatten im Jahre 1919 durch den Achtzehnten Verfassungszusatz zum Gesetz geworden war, Ausdruck zu finden schien. Das Alkoholverbot sollte nach dem Willen seiner Befürworter Amerika von seinen Kneipen und von der Trunksucht befreien; allein, es rief nur Tausende von geheimen Ausschankstellen ins Leben und eröffnete den Alkoholschmugglern eine einträgliche neue Laufbahn. Dass ein Gesetz bestand, das allgemein übertreten wurde, wurde überdies moralisch als eine Heuchelei empfunden, und für viele denkende Amerikaner wurde das Alkoholverbot bald zum Symbol für eine nationale Unzulänglichkeit, an Bedeutung nur der weitgreifenden politischen Korruption unter Hardings Regierung vergleichbar. Unerbittliche Kritik wurde nunmehr zum Leitmotiv der amerikanischen Literatur. Der Journalist und Kritiker H. L. Mencken, der Lebensstil und Wesen der Amerikaner schonungslos angriff, wurde in weiten Kreisen gelesen, und Sinclair Lewis, dessen Satiren auf das Leben des amerikanischen Mittelstandes (vor allem „Die Hauptstrasse" und „Babbitt") sich tief in das Bewusstsein des Volkes eingruben, schrieb für ein Publikum, mit dem sich das keines andern Romanschriftstellers seiner Art an Zahl messen kann. Es liegt viel Ironie in der Tatsache, dass diese amerikanische Kritik an Amerika gerade in einer Zeit höchster wirtschaftlicher Konjunktur hervortrat; die Wirtschaftskrise und wenig später die Gefahren, die durch Militarismus und Faschismus vom Ausland her drohten, führten die amerikanische Intelligenz in ihre Heimat zurück und flössten ihr eine neue, tiefere Achtung für die menschlichen Werte der demokratischen Tradition Amerikas und für seine grossen materiellen Hilfsquellen ein.
Während der zwanziger Jahre hatte es den Anschein, als ob die wirtschaftliche Blüte niemals ein Ende haben würde, und selbst noch nach dem Börsenkrach vom Herbst 1929 ergingen sich die höchsten Stellen in optimistischen Prophezeiungen. Aber die Krise verschärfte sich unaufhaltsam, und das Wirtschaftsleben des Landes brach in einem schwindelerregenden Tempo zusammen; Millionen, die ihr Geld in Aktien angelegt hatten, verloren ihre gesamten Ersparnisse, grosse Firmen schlossen ihre Tore, Fabriken wurden stillgelegt, Banken brachen zusammen; die Bautätigkeit kam fast völlig zum Stillstand; bittere, verzweifelte Arbeitslose liefen zu Millionen strassauf, strassab, um Arbeit zu suchen; Hunderttausende von Familien wurden obdachlos, und die Steuereinnahmen gingen so erheblich zurück, dass Städte und Landkreise oft nicht einmal mehr in der Lage waren, die Lehrer zu bezahlen. Die Vereinigten Staaten hatten seit der längst vergessenen Wirtschaftskrise der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nichts Ähnliches erlebt.
Als das amerikanische Volk sich von der ersten Erschütterung erholt hatte und daran ging, nach Gründen für einen Zusammenbruch dieses Ausmasses zu suchen, musste es allmählich erkennen, dass die prächtige Fassade der zwanziger Jahre einige bedrohliche Sprünge im Gebäude nur oberflächlich zugedeckt hatte. Das Hauptübel hatte in dem ausserordentlichen Missverhältnis zwischen der Produktionskraft der amerikanischen Industrie und der Aufnahmefähigkeit des amerikanischen Verbrauchermarktes bestanden, denn die in der Kriegszeit und in den Nachkriegsjahren eingeführten verbesserten Produktionsverfahren hatten die Leistungsfähigkeit der amerikanischen Industrie in so grossem Ausmass gesteigert, dass die Kaufkraft der amerikanischen Industriearbeiter und Farmer nicht mehr damit Schritt halten konnte. Die Ersparnisse der kapitalkräftigen Gruppen und des Mittelstandes hatten sich andererseits so erheblich vermehrt, dass sich kaum noch Möglichkeiten für gesunde Kapitalanlagen fanden, und die Folge war, dass diese Kapitalien stattdessen in fieberhafte Börsen- und Grundstückspekulationen hineingezogen wurden. Der Krach des Aktienmarktes aber war lediglich der erste in einer Kette von Zusammenbrüchen, die das ganze unsichere Gebäude der Spekulation in Trümmer legten.
Dass der Wahlfeldzug für die Präsidentschaftswahlen des Jahres 1932 die Form einer Diskussion über die Ursachen der grossen Wirtschaftskrise und die Möglichkeiten zu ihrer Behebung annahm, war unter diesen Umständen nur natürlich. Herbert Hoover, den ein unglückliches Geschick knapp acht Monate vor dem grossen Börsenkrach in das Weisse Haus hatte einziehen lassen, war ein Mann mit grossen Verdiensten um die Linderung der Nachkriegsnot in Europa, dessen ausserordentliche Fähigkeiten ihm sehr wohl einen Anspruch auf einen hervorragenden Platz in der Reihe der amerikanischen Präsidenten gesichert hätten. Alle seine rastlosen Bemühungen, die Räder der Industrie wieder in Gang zu setzen, waren jedoch daran gescheitert, dass er in einer überholten Auffassung von den Aufgaben der Bundesregierung befangen blieb und es so verfehlte, wirklich einschneidende Massnahmen zu ergreifen. Sein demokratischer Gegenkandidat Franklin D. Roosevelt dagegen hatte bereits zu Beginn der Krise, als Gouverneur von New York grosse Beliebtheit erlangt und vertrat den Standpunkt, dass die Depression von strukturellen Mängeln des amerikanischen Wirtschaftssystems verursacht worden sei, dass die Politik der Republikanischen Partei während der zwanziger Jahre diese Mängel nur verschärft und dass Hoover nichts zu ihrer Behebung unternommen habe. Präsident Hoovers Antwort darauf lautete, dass die amerikanische Wirtschaft von Grund auf gesund sei und dass die Erschütterungen von einer allgemeinen Krise der Weltwirt-schaft herrührten, deren Ursachen auf den Weltkrieg zurückgingen. Hinter ihren Argumenten aber stand deutlich ein grundlegender Unterschied: Hoover hätte es im grossen und ganzen vorgezogen, das Eintreten eines natürlichen Erholungsprozesses abzuwarten, während Roosevelt bereit war, die Autorität der Bundesregierung für kühne Eingriffe und neue Wege in Anspruch zu nehmen. Die Wahl brachte Roosevelt mit 22,8 Millionen Stimmen gegenüber Hoovers 15,7 Millionen einen überwältigenden Sieg.
Der neue Präsident entstammte der begüterten Oberschicht des Landes; sein Verständnis für das ganze Volk war jedoch tief, und die heitere Zuversicht, mit der er den Tagesproblemen zu Leibe ging, gewann schon nach kurzer Zeit die Amerikaner für seine Pläne, die schon in den allerersten Wochen seiner Amtszeit in der als New Deal berühmt gewordenen Reihe weitreichender Reformen Gestalt gewannen. Dieser New Deal ist gelegentlich einmal die „Roosevelt-Revolution" genannt worden; in Wirklichkeit aber hatte in ihm nur eine Reihe von Reformen einen intensiven Ausdruck gefunden, die sich durch ein halbes Jahrhundert langsam vorbereitet hatten. Denn in den Vereinigten Staaten, die über gewaltige Hilfsquellen verfügten und weite, unbesiedelte Binnengebiete zu besiedeln hatten, erkannte man zuletzt unter den grossen Ländern des Westens die Notwendigkeit entschiedener staatlicher Eingriffe in das Wirtschaftsleben; man kann mit einer gewissen Berechtigung sagen, dass der New Deal in den Vereinigten Staaten lediglich eine Reformgesetzgebung einführte, wie sie Engländern, Deutschen und Skandinaviern schon seit über einem Menschenalter vertraut war. Darüber hinaus gipfelte eine Tendenz, deren Entwicklung sich durch Jahrzehnte verfolgen lässt, im New Deal, die auf die Überwindung des ungehemmtfreien Spiels der wirtschaftlichen Kräfte (laissez-faire) drängte und in ihren Anfängen auf die Eisenbahngesetzgebung der achtziger Jahre und die Welle der einzel- und bundesstaatlichen Reformgesetze der Epoche Theodore Roosevelts und Wilsons zurückgeht. Das entschieden Neue am New Deal war nur die Schnelligkeit, mit der hier ein Werk von Generationen getan wurde, sowie die Unaufhaltsamkeit, mit der die Bundesregierung in Verwaltungsgebiete eindrang, die bisher ausschliesslich den Regierungen der Einzelstaaten vorbehalten gewesen waren. Zahlreiche Reformen des New Deal waren mit einem gewissen Mangel an Sorgfalt formuliert und wurden unzureichend durchgeführt, und einige von ihnen standen sogar im Widerspruch zu anderen; aber eine gewisse Verwirrung war unvermeidlich, wo es darum ging, Probleme von so riesigem Ausmass in so kurzer Frist zu lösen. Trotz aller Eile, mit der Entscheidungen gefällt und ausgeführt wurden, blieb jedoch während der gesamten New Deal-Epoche das demokratische Verfahren der öffentlichen Kritik und Diskussion ununterbrochen in Gang; im Gegenteil, der New Deal belebte und vertiefte das Interesse des einzelnen Staatsbürgers an der Arbeit seiner Regierung.
Als Roosevelt seinen Amtseid leistete, waren Bank- und Kreditwesen der Nation völlig gelähmt. Mit erstaunlicher Schnelligkeit wurden nun die gesunden Banken aus der Gesamtheit der Geldinstitute ausgesondert und wieder eröffnet; eine gemässigte und gesteuerte Inflation des Geldvolumens wurde eingeleitet, um eine Aufwärtsentwicklung der Preise anzubahnen und die Last der Schuldner zu erleichtern, und neugeschaffene Bundesbehörden gaben Industrie und Landwirtschaft Möglichkeiten, zu grosszügigen Bedingungen neue Kredite aufzunehmen; Bankspareinlagen bis zu einer Höhe von 5000 Dollar wurden versichert und der Verkauf von Wertpapieren an der Börse streng geregelt.
Auch die Landwirtschaft sah tiefgreifende Reformen. Nachdem das Oberste Bundesgericht 1936 das „Gesetz über die Reorganisierung der Landwirtschaft" (Agricultural Adjustment Act, im Jahre 1933 vom Kongress erlassen), das drei Jahre in Kraft gewesen war, als verfassungswidrig annulliert hatte, erliess der Kongress ein zweites, noch wirksameres Farmhilfsgesetz. Nach seinen Bestimmungen gewährte die Regierung Barsubventionen an solche Farmer, die sich bereit erklärten, einen Teil ihres Bodens mit bodenkonservierenden Pflanzen anzubauen oder in anderer Weise an den langfristigen Zielen dieser landwirtschaftlichen Hilfsmassnahmen mitzuarbeiten. Bis 1940 hatten sich fast sechs Millionen Farmer an dem Programm beteiligt und erhielten Subventionen durch die Bundesregierung. Das neue Gesetz sah auch die Gewährung von Darlehen auf Ernteüberschüsse, eine Versicherung der Weizenernte und einen planmässigen Aufbau von Vorräten vor, um dem Lande und den Farmern eine „stets normale Getreideversorgung" zu sichern. Infolge dieser Massnahmen zogen die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse an, und geordnete Verhältnisse in der Landwirtschaft rückten wieder in den Bereich des Möglichen.
Ein weiteres Ziel der Gesetzgebung bestand darin, die Pächter wirtschaftlich unabhängig zu machen. Zu diesem Zweck gewährte die Bundesregierung Pächtern zu günstigen Bedingungen finanzielle Beihilfen für den Ankauf von Farmen, übernahm die Rückzahlung von Darlehensschulden und brachte damit gleichzeitig auch den Hypothekengläubigern Erleichterung; eine neu errichtete Überbrückungsgesellschaft (Commodity Credit Corporation) lieh den Farmern Geld. Zur selben Zeit bemühte sich Aussenminister Cordell Hull, verschiedene, Auslandsmärkte durch zweiseitige Abkommen zurückzugewinnen und so den Zug zur Autarkie zu durchbrechen, der sich die Vereinigten Staaten in der Ära hoher Zölle genähert hatten. Unter den Bestimmungen des Gesetzes über Handelsabkommen (Trade Agreement Act) vom Juni 1934 schloss Aussenminister Hull bedingungslose, zweiseitige Meistbegünstigungsverträge mit Kuba, Kanada, Frankreich, Russland und rund zwanzig weiteren Ländern ab. Das brachte dem amerikanischen Aussenhandel in Jahresfrist einen wesentlichen Aufschwung, und bis 1939 hatte sich der Ertrag aus der Landwirtschaft gegenüber 1932 mehr als verdoppelt.
Das New Deal-Programm für die Industrie musste in den Anfangsjahren der Regierung Roosevelt ein Versuchsstadium durchmachen. Schon 1933 war die „Amerikanische Wiederaufbauverwaltung" (National Recovery Administration - NRA) geschaffen worden, unter deren Führung jeder Geschäftszweig ermächtigt wurde, Vereinbarungen über einen „fairen Wettbewerb" zu treffen. Solche Vereinbarungen enthielten in der Regel Bestimmungen über die Festsetzung von Mindestpreisen und über Produktionsbeschränkung und sicherten den Arbeitern die 40-Stundenwoche und Mindestlöhne zwischen 12 und 15 Dollar je Woche zu. Das NRA-Programm enthielt zahlreiche Ideen, die in weiten Kreisen der Industrie verbreitet gewesen waren, und beruhte im wesentlichen auf dem Gedanken, dass man der Wirtschaftskrise durch Drosselung der Produktion und Festsetzung höherer Preise Herr werden könne. Aber noch bevor die NRA im Mai 1935 vom Obersten Bundesgericht als verfassungswidrig erklärt wurde, hatte sich in weiten Kreisen die Auffassung durchgesetzt, dass die „Wiederaufbauverwaltung" ein Fehlschlag war. Zu dieser Zeit hatte sich jedoch bereits, durch andere Massnahmen angeregt, eine allmähliche Gesundung angebahnt, und man liess den Gedanken fallen, Vereinbarungen für ganze Industriezweige einzuführen. Die Regierung wechselte ihren Kurs und machte sich nunmehr die Auffassung zu eigen, dass behördlich vorgeschriebene Preise in bestimmten Wirtschaftszweigen eine schwere Belastung für die übrige Volkswirtschaft und einen Hemmschuh für die Wiedergesundung darstellten. Im Jahre 1938 schuf der Kongress auf Roosevelts Ersuchen ein „Nationales Interims-Wirtschaftskomitee" (Temporary National Economic Committee), das wichtige Untersuchungen des Monopolproblems in der amerikanischen Industrie durchführte. Es dauerte jedoch nicht lange, und kritische Beobachter des Vorgehens der Regierung wiesen darauf hin, dass die Auffassungen, der das TNEC seine Entstehung verdankte, in einem ausgesprochenen Gegensatz zu den Ideen standen, die zur Bildung der NRA geführt hatten.
In der Zwischenzeit war jedoch der Wiederaufbau erheblich fortgeschritten. Die Bundesregierung hatte Milliarden von Dollar für die Arbeitslosenunterstützung, für öffentliche Vorhaben sowie für Arbeiten zur Erhaltung der natürlichen Hilfsquellen des Landes ausgegeben und erweckte durch solche „Ansaugausgaben" auf dem Inlandsmarkt eine verstärkte Nachfrage nach Erzeugnissen der amerikanischen Industrie. Auch die Fortschritte der organisierten Arbeiterschaft, die während des New Deal grösser waren als je zuvor im Laufe der amerikanischen Geschichte, und die stark gestiegenen Lohnauszahlungen in der Privatwirtschaft schufen frische Kaufkraft. Absatz 7a des „Gesetzes über die amerikanische Wiederaufbauverwaltung" hatte der Arbeiterschaft das Recht auf Kollektivverhandlungen zugesichert, und obwohl Art und Weise der Durchführung dieser Bestimmung nach der Ansicht führender Gewerkschaftsfunktionäre nicht vollkommen waren, machte der gewerkschaftliche Zusammenschluss der Arbeiter unter dem Gesetz gute Fortschritte. Im Juli 1935 verabschiedete der Kongress als Ersatz für die auf die Arbeiterschaft bezüglichen Bestimmungen des aufgehobenen „Gesetzes über die amerikanische Wiederaufbauverwaltung" ein neues „Gesetz zur Regelung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern" (National Labor Relations Act), durch das ein Bundesausschuss zur Überwachung von Kollektivverhandlungen eingesetzt wurde. Dieser Ausschuss sorgte unter anderem für die Durchführung von Wahlen, um den Arbeitern die freie Entscheidung darüber zu geben, welche Organisation sie bei Verhandlungen mit den Arbeitgebern vertreten sollte.
Die Enttäuschung einer Reihe der grossen Industriegewerkschaften über den Amerikanischen Gewerkschaftsverband AFL, der grundsätzlich allein die Facharbeiter zu erfassen suchte und deshalb nur zögernd an die Werbung der noch unorganisierten Arbeiter heranging, führte um jene Zeit zur Spaltung der Gewerkschaften und zur Bildung des Amerikanischen Gewerkschaftsbundes CIO (Congress of Industrial Organizations). Die CIO konnte bald grosse Erfolge in der Organisation der Arbeiterschaft, vor allem in wichtigen Schlüsselindustrien wie der Automobil- und Stahlindustrie, auf ihr Konto buchen und trug so auch zum Anwachsen der AFL, die sich gegen die neue scharfe Konkurrenz zu behaupten hatte, bei: aus vier Millionen organisierter Arbeiter im Jahre 1929 wurden 1939 rund elf Millionen und 1948 sogar sechzehn Millionen Gewerkschaftsmitglieder. Der steigende Einfluss, den die Gewerkschaften damit auf die Industrie ausüben konnten, wirkte sich auch politisch aus, je mehr durch die organisatorische Zusammenfassung das Bewusstsein der Gemeinsamkeit der Interessen auch in der Politik bei der Arbeiterschaft durchdrang.
An das Problem der Altersversorgung der Arbeiter sowie des Unterhalts von Angehörigen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer wurde durch das „Sozialversicherungsgesetz" (Social Security Act) von 1935 herangegangen, das Arbeitern zahlreicher Berufsgruppen nach Erreichen des 65. Lebensjahres eine bescheidene Rente zusprach. Der Versicherungsfonds für diese Rente wurde durch Beiträge in gleicher Höhe von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammengetragen. Arbeitslosenunterstützung für Arbeitsfähige aller Altersgruppen wurde von den Einzelstaaten aus Sonderkassen gezahlt, die durch eine vom Bund verfügte obligatorische Lohnsteuer gespeist wurden, und von 1938 an gab es in jedem Einzelstaat eine mehr oder weniger ausgebaute Arbeitslosenversicherung.
Wiederholte Dürreperioden in den dreissiger Jahren regten zum Erlass eines „Gesetzes zur Gesamtregulierung der Wasserkräfte" (Omnibus Flood Control Bill) an, das die Anlage einer Reihe grosser Staubecken und Wasserkraftwerke und Tausender von kleinen Dämmen vorsah. Der natürliche Reichtum des Landes, der den Amerikanern so unbegrenzt erschienen war, war bis zu jener Zeit in unverantwortlicher Weise vernachlässigt worden: gutes Ackerland war durch Raubbau der Nutzung entzogen und die Wälder waren ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit der Aufpflanzung kahl geschlagen worden; so hatte die Bodenerosion in vielen Gebieten bereits tiefe und hässliche Narben in die Flur gegraben. Nun wurde der Kampf dagegen mit einem gigantischen Bodenkonservierungsprogramm neu aufgenommen, das vor allem die weiten Ebenen des Mittleren Westens erfasste und zum Anbau eines ausgedehnten Schutzgürtels von Bäumen führte. Andere segensreiche Wirkungen des Gesetzes ergaben sich aus der Verhütung der Verunreinigung fliessender Gewässer, der Schaffung von Fisch-, Wild- und Vogelschutzgebieten, der Erhaltung von Kohle-, Erdöl-, Ölschiefer-, Erdgas-, Natrium- und Heliumvorkommen, der Sperrung bestimmter Weidegebiete für die Besiedlung und der erheblichen Erweiterung der Staatsforsten.
Von all diesen Massnahmen hatte vielleicht die Schaffung der Tennessee-Talverwaltung (TVA) die grösste Bedeutung für die Zukunft, denn hier war es von allem Anfang das Ziel, sozial und wirtschaftlich neue, unbetretene Wege zu gehen. Eine Reihe von Dämmen - die Dämme von Norris, Pickwick, Chickamauga und andere mehr - entstanden und dienten neben den Hauptdämmen bei Muscle Shoals in Alabama der Schiffbarmachung, Hochwasserregulierung und Stickstoffgewinnung und darüber hinaus der Erzeugung elektrischer Energie. Die Regierung legte etwa 8400 Kilometer Überlandleitungen und verkaufte den elektrischen Strom an die Gemeinden der Umgebung zu Preisen, die niedrig genug waren, um weiten Absatz zu schaffen. Die so angebahnte Elektrifizierung des flachen Landes wurde überdies durch Kredite einer mit der TVA verknüpften Behörde weiter gefördert. Die TVA entzog ferner unrentables Ackerland der Bebauung und half den Eigentümern, neuen Farmboden zu finden; sie führte eine Reihe von Versuchen, vor allem über die Verwendungsmöglichkeiten von Phosphatdüngemitteln, durch, förderte die Volksgesundheit und richtete Erholungsstätten ein.
Das Programm zur Erschliessung des Columbia-Beckens stand der TVA an Bedeutung für die Entwicklung eines grossen Gebietes wenig nach. Die ersten Arbeiten dafür wurden 1933 am Grand Coulee-Damm im Staate Washington, 1937 am Bonneville-Damm, gleichfalls am Columbiastrom, von der Regierung begonnen. Beide Projekte (mit Einschluss einiger Nebendämme) sollten nach ihrer Fertigstellung über zwei Millionen Kilowatt Strom erzeugen und die Bewässerung und Wiederurbarmachung von mehr als 400 000 Hektar Land ermöglichen, die zuvor für die Bebauung unbrauchbar gewesen waren.
Fast die gesamte Aufbauarbeit unter dem New Deal war von schärfster Kritik nicht nur von seiten der Republikanischen Partei, sondern oft auch aus den Reihen der Demokratischen Partei selbst begleitet gewesen. Bei den Wahlen des Jahres 1936 konnte Präsident Roosevelt jedoch einen noch überzeugenderen Sieg erringen als 1932, obwohl sein republikanischer Gegenkandidat Alfred M. Landon, Gouverneur von Kansas, den New Deal mit grösster Leidenschaftlichkeit und Konsequenz angriff. (Spätere Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei - Wendell Willkie, 1940, und Thomas E. Dewey, 1944 und 1948, - erkannten im Gegensatz zu Landon eine ganze Reihe der Leistungen des New Deal an.) Bei den den Kongresswahlen für das Jahr 1938 vorausgehenden Vorwahlen (in denen die Parteien ihre Kandidaten auswählten) erlitt Roosevelt jedoch einen Rückschlag, als er versuchte, den fortschrittlichen Flügel seiner eigenen Partei durch eine Aufforderung an die Wähler zu stärken, gegen einige seiner erklärtesten Gegner zu stimmen. Da der amerikanische Wähler aber allen Versuchen, in die oft von den besonderen örtlichen Verhältnissen beeinflusste Wahl seiner Abgeordneten einzugreifen, höchst misstrauisch zu begegnen gewohnt ist, rief Roosevelts Vorgehen verschiedentlich eine Verstimmung hervor. Als sich die Misserfolge, die er mit solchen Eingriffen hatte, häuften, wurde offenbar, dass die Reformgesetzgebung des New Deal zumindest zeitweise im Kongress auf Widerstand stossen würde und dass mit einer Konsolidierungsperiode zu rechnen sei.
In allen Jahren zwischen 1932 und 1938 und wo immer die öffentliche Meinung Ausdruck fand, wurde über die Bedeutung des New Deal für Politik und Wirtschaft des Landes um Klarheit gerungen. Je mehr die Zeit verfloss, desto deutlicher wurde, dass die amerikanische Konzeption von den Aufgaben der Regierung in Fluss geraten war und dass die Idee einer grösseren Verantwortung der Regierung für die Wohlfahrt des Volkes ständig mehr Zustimmung fand. Eine Gruppe von Kritikern des New Deal, darunter auch der ehemalige Präsident Hoover, erhob sogar in ehrlicher Besorgnis den eindringlichen Vorwurf, dass die Ausweitung der Regierungsfunktionen in einem solchen Umfang letzten Endes zur Aushöhlung aller Freiheiten des Volkes führen müsse. Präsident Roosevelt jedoch, von einer grossen Schar seiner Anhänger unterstützt, beharrte unbeirrt auf seiner Ansicht, dass alle Massnahrnen, die das wirtschaftliche Wohlergehen förderten, auch Freiheit und Demokratie stärkten, und versicherte 1938 dem amerikanischen Volk in einer Radioansprache: „Die Demokratie ist in verschiedenen anderen grossen Nationen untergegangen, nicht weil die Völker dieser Länder die Demokratie ablehnen, sondern weil sie der Arbeitslosigkeit, der Unsicherheit und des Anblicks ihrer hungrigen Kinder müde geworden sind und weil die Verwirrung und die Schwäche ihrer Regierungen und der Mangel an Klarheit über die einzuschlagende Richtung in ihren führenden Schichten sie in tiefe Hilflosigkeit gestürzt haben. Am Ende stand die Verzweiflung und liess sie die Freiheit gegen eine Hoffnung auf Brot eintauschen. Wir in Amerika wissen, dass wir unsere demokratischen Einrichtungen erhalten können, aber um sie zu bewahren, müssen wir ... beweisen, dass ein demokratisches Regierungssytem auch in der Praxis den Anforderungen genügen kann, die der Schutz des Volkes an sie stellt ... Das amerikanische Volk ist in dem Bewusstsein vereint, dass es seine Freiheiten um jeden Preis verteidigen muss; die vorderste Verteidigungslinie aber liegt im Schutz unserer wirtschaftlichen Sicherheit."
Aber so eindrucksvoll Präsident Roosevelts innenpolitisches Programm auch war, noch bevor seine zweite Amtsperiode recht begonnen hatte, fielen die dunklen Schatten einer bedrohlichen aussenpolitischen Situation über seinen Weg. Jenseits der Meere hatte sich, kaum bemerkt vom Durchschnittsamerikaner, eine neue Gefahr für Frieden, Recht und schliesslich auch für die Sicherheit Amerikas zusammengeballt - die totalitären Regierungen in Japan, Italien und Deutschland - und bald nach 1930 schlug die erste dieser Nationen zu: Japan überfiel 1931 die Mandschurei, brach den chinesischen Widerstand und setzte ein Jahr darauf die Marionettenregierung von Mandschukuo ein. Italien unter dem Faschismus erweiterte seine Besitzungen in Libyen und unterwarf in den Jahren 1935/1936 Abessinien seiner Herrschaft. Deutschland, wo Adolf Hitler und seine NSDAP die Macht an sich gerissen hatten, besetzte das Rheinland wieder und leitete eine umfassende Wiederaufrüstung ein.
Als sich die wahre Natur der totalitären Staaten deutlicher abzuzeichnen begann, dämmerte im amerikanischen Volk die erste Besorgnis auf; als Deutschland, Italien und Japan aber in ihrer aggressiven Politik beharrten und ein kleines Land nach dem anderen angriffen, verwandelte sich die Besorgnis in Entrüstung. Im Jahre 1938, als Hitler Österreich dem Deutschen Reiche einverleibt hatte und von der Tschechoslowakei die Abtretung des Sudetenlandes forderte, schien der Krieg unmittelbar vor der Türe zu stehen. Das amerikanische Volk aber, das seine tiefe Ernüchterung über den Misserfolg des Kreuzzugs für die Demokratie im ersten Weltkrieg noch nicht überwunden hatte, gab der Welt zu verstehen, dass kriegführende Staaten unter keinen Umständen Hilfe von ihm erwarten könnten. Zug um Zug wurden zwischen 1935 und 1937 Neutralitätsgesetze verabschiedet, die Handel und Kreditgewährung an alle kriegführenden Staaten untersagten und um jeden Preis verhindern sollten, dass die Vereinigten Staaten erneut in einen ausseramerikanischen Krieg verwickelt würden.
Sowohl Präsident Roosevelt als auch Aussenminister Hull widersetzten sich von Anfang an diesen Gesetzen. Der Präsident nahm es auf sich, das amerikanische Volk über die zerstörende Wucht jener Kräfte aufzuklären, und versuchte, Amerika moralisch und materiell in Bereitschaft zu versetzen, denn er hatte sich schon seit langem eingehend mit dem Problem der internationalen Sicherheit befasst. Er hatte an der Stärkung der amerikanischen Kriegsmarine gearbeitet, hatte es 1932 abgelehnt, die Marionettenregierung von Mandschukuo anzuerkennen, und hatte im Verein mit Cordell Hull durch eine „Politik der guten Nachbarschaft" das Solidaritätsgefühl unter den Staaten der westlichen Hemisphäre zu vertiefen verstanden. Die Vereinigten Staaten hatten z.B. aus freien Stücken auf eine Vertragsklausel verzichtet, die sie berechtigte, nach eigenem Ermessen zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung auf Kuba zu intervenieren, und bei Gelegenheit der Verlängerung der von Aussenminister Hull geschlossenen zweiseitigen Handelsabkommen im Jahre 1935 hatten die Vereinigten Staaten Nichtangriffs- und Freundschaftsverträge mit sechs lateinamerikanischen Ländern geschlossen, in denen sich die Partner gegenseitig verpflichteten, keine gewaltsam erzwungenen Gebietsveränderungen anzuerkennen.
Die aggressive Politik der totalitären Staaten jedoch verstärkte sich mehr und mehr: Polen, Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich fielen nacheinander Hitler zum Opfer; gleichzeitig aber wuchs der Widerstandswille Amerikas, und anfängliche Erwartungen, sich aus dem europäischen Konflikt herauszuhalten, wichen nach einiger Zeit und in steigendem Masse der Einsicht, dass eine Mächtegruppierung, die die allgemeine Sicherheit bedrohte, die amerikanische Sicherheit mitgefährdete. Wo würde Hitler einhalten? Konnte irgendein Versprechen Hitlers und seiner Regierung in dieser Hinsicht auch nur den geringsten Wert haben, nachdem Hitler selbst seine Ansicht vom Wert der „grossen Lüge" in der Politik („die durch die unbedingte, freche, einseitige Sturheit, mit der sie vorgetragen wird, geglaubt" wird) in die Welt posaunt hatte? Der antidemokratische Charakter des Naziregimes, seine rohe Gewaltsamkeit und die brutale Volksverhetzung zum Antisemitismus hatten die meisten Amerikaner von allem Anfang an mit Abscheu erfüllt, und nun überzeugte sie Hitler durch seine Eroberungen schliesslich auch davon, dass das Naziregime die Sicherheit und Freiheit der USA selbst unmittelbar bedrohte.
Der Zusammenbruch Frankreichs, der die Stärke der nazistischen Militärmacht offenbar machte, festigte diese Überzeugung, und als im Sommer 1940 die Luftangriffe gegen England einsetzten, waren nur noch wenige Amerikaner in ihrem Denken neutral. Die Vereinigten Staaten in Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Republiken stellten die Besitzungen der demokratischen Länder in der westlichen Hemisphäre (in Ausdehnung früherer Abmachungen) unter ihren gemeinsamen Schutz. Die Vereinigten Staaten und Kanada schufen einen Gemischten Verteidigungsausschuss, und der Kongress bewilligte angesichts der immer bedrohlicheren Krise gewaltige Summen für die Aufrüstung. Im September 1940 wurde erstmalig in der amerikanischen Geschichte zu Friedenszeiten ein Aushebungsgesetz erlassen. Im selben Monat teilte Präsident Roosevelt auch dem Volke den Abschluss einer Vereinbarung mit England mit, derzufolge die USA 50 Zerstörer eines älteren Typus an England abtraten und als Gegenleistung einen Pachtvertrag auf 99 Jahre für eine Reihe von Marinestützpunkten zwischen Neufundland und Britisch-Guayana erhielten.
Die Präsidentschaftswahlen des Jahres 1940 demonstrierten, wie weitgehend sich die Amerikaner in ihrer Haltung zu den aussenpolitischen Ereignissen einig wussten, denn selbst Präsident Roosevelts Gegenkandidat Wendell Willkie befürwortete die Einberufung zum Militärdienst und stellte sich hinter das Zerstörerabkommen mit England. Da er aber auch die Innenpolitik Roosevelts weitgehend billigte, brachte er sich selbst um ein zugkräftiges Gegenprogramm und musste sich in den Novemberwahlen Roosevelt, der erneut eine eindrucksvolle Stimmenmehrheit auf sich vereinte, beugen. Damit wurde zum ersten Mal in der Geschichte der USA ein Präsident für eine dritte Amtsperiode ins Weisse Haus gewählt.
Während die meisten Amerikaner mit grosser Anteilnahme den Verlauf des Krieges in Europa verfolgten, verschärfte sich auch die Spannung im Fernen Osten. Japan, das keine Gelegenheit versäumen wollte, seine strategische Position zu verbessern, verkündete kühn eine „Neue Ordnung" und sprach sich selbst die Vorherrschaft über Gesamtostasien und den Pazifischen Ozean zu. England war hilflos und konnte keinen Widerstand leisten; es musste sich aus Schanghai zurückziehen und schloss vorübergehend die Burma-Strasse, und die schwache französische Vichy-Regierung erteilte Japan im Sommer 1940 die Genehmigung, Flugplätze in Französisch-Indochina zu benutzen. Als aber Japan schliesslich im September der Achse Rom-Berlin beitrat, stellten die Vereinigten Staaten die Schrottausfuhr nach Japan ein.
Die japanischen Vorstösse im Jahre 1940 gaben bereits den Anschein, als ob Japan nach den Erdöl-, Zinn- und Kautschukvorkommen der britischen Malaienstaaten und Niederländisch-Indiens im Süden greifen wollte; seine Absichten wurden vollkommen deutlich, als es mit Erlaubnis der Vichy-Regierung im Juli 1941 die restlichen Gebiete Indochinas besetzte. Daraufhin blockierten die Vereinigten Staaten die japanischen Guthaben in den USA. Nach der Übernahme der japanischen Regierung durch General Tojo traf am 19. November 1941 Saburo Kurusu als japanischer Sonderbotschafter in den Vereinigten Staaten ein und erklärte, dass es seine Aufgabe sein werde, eine friedliche Verständigung anzubahnen. Die amerikanische und die japanische Auffassung über die Natur einer befriedigenden Regelung gingen jedoch weit auseinander. Japan verlangte, die Vereinigten Staaten sollten sein Protektorat über China anerkennen und ihm helfen, seine Öl-, Kautschuk- und Zinnversorgung sicherzustellen, und war als Gegenleistung dazu bereit, gemeinsam mit den USA die Unabhängigkeit der Philippinen zu garantieren. Die Vereinigten Staaten dagegen schlugen Japan vor, es solle sich von der Achse trennen, sich aus China und Indochina zurückziehen und seine extraterritorialen Rechte aufgeben, und stellten dafür ein neues Handelsabkommen in Aussicht. Noch am 6. Dezember richtete Präsident Roosevelt einen persönlichen Friedensappell an den japanischen Kaiser; Japan beantwortete ihn am Morgen des 7. Dezember 1941 mit dem Bombenhagel auf den amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbor.
Als die amerikanische Öffentlichkeit durch den Rundfunk von den Einzelheiten der japanischen Überfälle auf Hawai, Midway, Wake and Guam erfuhr, schlug ihr ungläubiges Staunen in erbitterten Zorn über den „unprovozierten und heimtückischen" Angriff, wie Präsident Roosevelt ihn genannt hatte, um. Am 8. Dezember erklärte der Kongress, dass Amerika sich im Kriegszustand mit Japan befinde, und drei Tage später erklärten Deutschland und Italien den Vereinigten Staaten den Krieg.
Die Einbeziehung der USA in den zweiten Weltkrieg bedeutete für das amerikanische Volk eine tiefe weltanschauliche Umwälzung. Nicht die schweren Verluste von Pearl Harbor waren das Entscheidende - sie konnten im Laufe der Zeit wieder wettgemacht werden -, sondern das Ende des langgehegten Traums von einem Frieden durch isolation, der nun für immer zerstoben war. Seit dem Unabhängigkeitskrieg hatte noch jede amerikanische Generation in irgendeinem Krieg gestanden - dem Krieg von 1812, dem amerikanisch-mexikanischen Krieg, dem Sezessionskrieg, dem Krieg gegen Spanien von 1898 und schliesslich dem ersten Weltkrieg -, und trotzdem hatte das amerikanische Volk nie militärische Verwicklungen ausserhalb des amerikanischen Kontinentes gesucht. Die Amerikaner haben zu keiner Zeit den Militarismus geschätzt oder ihn etwa selbst übernommen. Als die Gründer des Bundes im Jahre 1787 die Verfassung schufen, bestimmten sie, dass der amerikanische Präsident - ein vom Volke gewählter Zivilbeamter - der Oberste Befehlshaber der Armee und Marine sein solle, um dadurch, soweit dies überhaupt durch eine Verfassung vorgeschrieben werden kann, dem amerikanischen Leben den Stempel der zivilen Kontrolle aufzuprägen. Es war diesen Gründen zuzuschreiben, dass das amerikanische Heer bei Ausbruch des Krieges in Europa im Jahre 1939 so ausserordentlich klein war. Wohl hatte das amerikanische Volk von Zeit zu Zeit militärische Ziele verfolgt - doch Militarismus und Kriegshandlungen zur Erreichung begrenzter militärischer Ziele sind, wie der deutschamerikanische Historiker Alfred Vagts ausgeführt hat, zwei Dinge, die nicht nur voneinander verschieden, sondern bisweilen sogar miteinander völlig unvereinbar sind, denn für den Militarismus hat der Krieg seine Berechtigung in sich selbst, als eine eigene Form menschlichen Daseins samt den damit verbundenen Einrichtungen, Denkgepflogenheiten und halbkultischen Formalitäten. Oft sind die Militaristen nicht einmal im Kriege überlegen, denn der Militarismus ruft eine geistige Einstellung hervor, die eine vernünftige Aussenpolitik und häufig sogar selbst eine zweckmässige militärische Organisation unmöglich macht. Hitler und Mussolini hatten den Militarismus mit grossem Eifer gefördert; in Amerika aber betrachtete man den Krieg allgemein als eine harte und unglückliche, aber nun einmal unvermeidlich gewordene Wendung in der Geschichte der Nation. Kein Amerikaner vermochte etwas anderes in einem Krieg zu sehen als einen Kampf für einen dauerhaften Frieden, und als Präsident Roosevelt am 9. Dezember seine Kriegsbotschaft an das amerikanische Volk richtete, rief er ihm dies ins Gedächtnis: „Das wahre Ziel, das wir verfolgen, liegt weit höher und jenseits der Schrecken des Schlachtfelds. Wenn wir zur Gewalt unsere Zuflucht nehmen, weil wir dazu gezwungen sind, dann, das ist unser fester Entschluss, soll diese Gewalt ebenso für ein höchstes Gut wie gegen das Böse der Stunde eingesetzt werden. Nicht zu zerstören - aufzubauen sind wir Amerikaner da."
Die Nation stellte sich in kürzester Frist auf die neuen Aufgaben um, die die Mobilisierung ihres Arbeitspotentials und ihrer gesamten Industrie an sie stellte. Am 6. Januar 1942 verkündete Präsident Roosevelt Produktionsziele, die dem amerikanischen Volk in normalen Zeiten unglaublich erschienen wären, und verlangte für das laufende Jahr die Fertigstellung von 60 000 Flugzeugen, 45 000 Panzern, 20 000 Flugzeugabwehrgeschützen und 18 Millionen Tonnen zusätzlichen Handelsschiffsraum. Alle Lebensgebiete der Nation - Landwirtschaft, Industrie, Bergbau, Handel, Arbeiterschaft, Finanz-, Nachrichten- und Verkehrswesen, ja selbst das Erziehungssystem und die geistige Arbeit - wurden auf diese oder jene Weise vermehrter Kontrolle unterworfen. Gewaltige Geldmittel wurden aufgebracht und annähernd doppelt so viele Soldaten wie während des ersten Weltkrieges einberufen und ausgebildet. Unerhörte Rohstoffmengen wurden verarbeitet, grosse neue Industrieanlagen geschaffen und vor allem in der Serienfertigung von Schiffen und Flugzeugen aufsehenerregende neue Verfahren entwickelt. Die Verteilung der Bevölkerung im Lande änderte sich erheblich, und Dutzende von Städten schwollen beträchtlich an Einwohnern an. Auf Grund einer Reihe von Aushebungsgesetzen wurden die Streitkräfte der Vereinigten Staaten auf eine Gesamtstärke von 15,1 Millionen Mann gebracht; Ende 1943 trugen nahezu 65 Millionen amerikanische Männer und Frauen Uniform oder arbeiteten in kriegswichtigen Betrieben.
Allein schon die Errichtung und Erweiterung kriegswichtiger Betriebe erforderte gewaltige Summen. Die Bundesregierung brachte z.B. grosse Werften, Anlagen zur Herstellung von jährlich 800 000 Tonnen Gummi, grosse Magnesiumwerke, einen beachtlichen Teil der amerikanischen Aluminiumindustrie und zahllose kleinere Produktionsstätten in ihren Besitz. Nahezu die gesamte Automobilindustrie wurde auf die Fertigung von Flugzeugen, Tanks, Panzerfahrzeugen und anderem Kriegsgerät umgestellt. Gleichzeitig konnte die Nahrungsmittelerzeugung trotz der Einberufung der Farmerjugend auf einem nie zuvor erreichten Höchststand gehalten werden. Das Volk wusste, dass das Leben der Nation auf dem Spiele stand, und unterwarf sich einer schärferen Regierungskontrolle, als sie Amerika je zuvor gekannt hatte. Zu diesem Zwecke übertrug der Kongress dem Präsidenten durch eine Reihe von Gesetzen weitreichende Vollmachten über alle Gebiete des wirtschaftlichen Lebens. Der Präsident berief eine Konferenz von Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein, und diese verpflichteten sich, für die Dauer des Krieges weder Streiks noch Aussperrungen durchzuführen. Die Amerikanische Kriegsarbeitsbehörde (War Labor Board), die sich aus Vertretern der Unternehmer, der Gewerkschaften und staatlicher Organe zusammensetzte, sorgte mit Erfolg dafür, dass Arbeitsstreitigkeiten während des Krieges auf ein Mindestmass beschränkt blieben.
Kurz nachdem die Vereinigten Staaten in den Krieg verwickelt worden waren, fassten die westlichen Alliierten den Entschluss, ihre militärischen Unternehmungen auf Europa zu konzentrieren, wo der Gegner am mächtigsten war und von wo aus die grösste Gefahr drohte; der pazifische Kriegsschauplatz sollte währenddessen eine untergeordnete Rolle spielen. Trotzdem konnten die Vereinigten Staaten noch während des schweren Jahres 1942 dank ihrer Kriegsmarine und deren Trägerflugzeugen einige ihrer ersten grösseren Erfolge im Pazifik erringen. Im Mai 1942 wurde die japanische Marine durch die schweren, bei der Seeschlacht im Korallenmeer erlittenen Verluste gezwungen, ihre Angriffspläne gegen Australien aufzugeben; im Juni erzielten von Flugzeugträgern aus gestartete amerikanische Flugzeuge auf der Höhe der Midway-Inseln schwere Treffer auf einem japanischen Flottenverband, und im August landeten Armee und Marine in enger Zusammenarbeit auf der Insel Guadalcanal und erfochten einen weiteren Seesieg in der Nähe des Bismarck-Archipels. Da sich die Kriegsmarine durch die fieberhafte Arbeit der amerikanischen Werften mit unglaublicher Geschwindigkeit vergrösserte, bestand berechtigte Hoffnung auf weitere Erfolge zur See.
In der Zwischenzeit strömten Waffen und Gerät in steigendem Umfang an die europäischen Fronten. Britische Truppen unter der Führung Montgomerys wiesen im Frühjahr und Sommer 1942 - teilweise mit Hilfe amerikanischen Materials - den deutschen Vorstoss nach Ägypten ab und warfen Rommels Afrikakorps nach Tripolis zurück. Damit war die Bedrohung des Suez-Kanals beseitigt. Am 7. November 1942 landete eine amerikanische Armee in Französisch-Nordafrika. Heftige Kämpfe folgten; die italienischen und deutschen Truppen erlitten schwere Niederlagen, 349 000 Mann wurden gefangen genommen, und im Hochsommer 1943 war die Südküste des Mittelmeeres vollständig von den Verbänden der totalitären Staaten gesäubert. Im August wurde Sizilien erobert, im September unterzeichnete die neue italienische Regierung unter Marschall Badoglio einen Waffenstillstand, und im Oktober 1943 erklärte Italien an Deutschland den Krieg. Während in Italien noch verlustreiche Kämpfe tobten, führten die alliierten Luftstreitkräfte vernichtende Angriffe auf deutsche Eisenbahnen, Fabriken und Waffenlager durch und zahlten die früheren deutschen Luftangriffe auf englische Städte in gleicher Münze zurück. Weit im Innern des Kontinents wurde die deutsche Erdölversorgung durch Angriffe auf die rumänischen Raffinerien in Ploesti schwer getroffen.
Gegen Ende 1943 fassten die Alliierten nach eingehenden strategischen Erwägungen den Entschluss, eine neue Front im Westen zu schaffen, um so weit mehr deutsche Truppen von der Ostfront abzuziehen, als in Italien gebunden werden konnten. General Dwight D. Eisenhower wurde zum Oberbefehlshaber ernannt, und die gewaltigen Vorbereitungen für die Invasion wurden mit stärkerer Intensität weitergeführt. Am 6. Juni 1944 landeten die ersten Einheiten einer amerikanischen Invasionsarmee unter dem Schutze einer weit überlegenen Luftflotte in der Normandie, während gleichzeitig eine grosse sowjetische Gegenoffensive im Osten stattfand. Die ersten Brückenköpfe konnten behauptet werden, und neue Truppenverbände wurden nachgeschoben; zahlreiche Einheiten der deutschen Verteidigungsarmeen wurden durch rasche Vorstösse alliierter Flanken eingekesselt, und schliesslich gelang es den alliierten Armeen, sich gegen ständigen, erbitterten Widerstand durch Frankreich hindurchzukämpfen und nach Deutschland vorzustossen. Am 25. August wurde Paris zurückgewonnen. An den Grenzen des deutschen Reiches aber hielten verbissene und verlustreiche deutsche Gegenoperationen den Vormarsch zunächst auf; im Februar und März 1945 jedoch drangen die alliierten Truppen vom Westen her in Deutschland ein, während gleichzeitig die deutschen Armeen auch im Osten zurückgetrieben wurden. Nach und nach streckten verschiedene, noch als Einheiten operierende deutsche Truppenverbände die Waffen. Am 8. Mai 1945 kapitulierten die gesamten Land-, See- und Luftstreitkräfte des nur noch als Rumpf vorhandenen Dritten Reiches, dem Hitler ein tausendjähriges Bestehen vorausgesagt hatte. Angehörige des deutschen Generalstabs gaben die Schuld an dieser Niederlage in erster Linie Hitlers abwegigen „militärischen Intuitionen". Zum grossen Teil erklärt sie sich aber wohl auch aus dem Unvermögen der Achsenmächte, den vereinten Kriegsanstrengungen der Alliierten Gleichwertiges entgegenzustellen. Den Westmächten war es nicht nur gelungen, ihre Kriegsführung unverbindlich, aber schlagkräftig mit der russischen im Osten zu koordinieren, sondern sie konnten mit Hilfe des im Dezember 1941 geschaffenen Vereinigten Generalstabs (Combined Chiefs of Staff) auch die übrigen Probleme der Koalitionskriegsführung meistern. Die deutsche militärische Führung dagegen hatte nie mit den Japanern zusammengearbeitet und war von den Italienern nur immer behindert worden; in der faschistischen Gedankenwelt war eben kein Platz für ein wirklich gemeinsames Handeln gleichberechtigter Partner.
Die Gründe für die Niederlage der Achsenmächte können in Wahrheit jedoch weder allein im Militärischen noch in ihrer Unfähigkeit, wirklich zusammenzuarbeiten, gefunden werden. Sie standen Mächten gegenüber, die über unvergleichlich grössere Reserven an Rohmaterial, über eine enorme Produktionskraft und einen gewaltigen Vorrat an Menschen verfügten und sie zu einem wirklich leistungsfähigen Instrument zusammenschweissten und der Kriegsführung nutzbar machten. An dieser überwältigenden Überlegenheit der Alliierten an Menschen und Material hätte selbst eine besser konzipierte Strategie mit Notwendigkeit zerschellen müssen.
Währenddessen hatten die amerikanischen Einheiten im Pazifischen Ozean grosse Fortschritte gemacht. Amerikanische und australische Truppen kämpften sich nordwärts, der Inselkette von den Salomonen über Bougainville und New Britain entlang, nach Neu-Guinea vor, und die sich ständig vergrössernde alliierte Flotte riss grosse Lücken in die japanische Versorgung. Im Oktober 1944 folgte die Landung auf der Philippinen-Insel Leyte und die siegreiche Seeschlacht in den Philippinischen Gewässern. Die Inselkämpfe auf Iwo Jima und Okinawa liessen jedoch die Bereitschaft der Japaner erkennen, den Widerstand trotz der Hoffnungslosigkeit ihrer Position noch weiter fortzusetzen, und so wurde der Krieg im August durch den Abwurf je einer Atombombe auf Hiroschima und Nagasaki mit einem Schlage beendet. Japan kapitulierte daraufhin in aller Form am 2. September 1945.
Die militärischen Anstrengungen der Alliierten fanden ihre Ergänzung in einer Reihe wichtiger internationaler Konferenzen, die sich mit den politischen Hintergründen des Krieges befassten. Die erste dieser Konferenzen war das Treffen zwischen Präsident Roosevelt und Premierminister Churchill vom August 1941, das zu einer Zeit stattfand, da die Vereinigten Staaten noch nicht aktiv am Kriege teilnahmen und die militärische Lage für England und Russland sehr bedrohlich aussah. Roosevelt und Churchill trafen an Bord eines Kreuzers in den Gewässern vor Neufundland zusammen und gaben in der Atlantik-Charta eine Erklärung über ihre gemeinsamen Ziele ab: Keine Gebietsvergrösserungen; keine territorialen Veränderungen, es sei denn in Übereinstimmung mit den Wünschen der beteiligten Bevölkerung; Anerkennung des Rechtes aller Völker, die ihnen gemässe Regierungsform zu wählen; Wiederherstellung der Selbstregierung, wo immer die Völker um sie gebracht worden waren; wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen allen Staaten; Befreiung aller Völker von Krieg, Furcht und Not; Freiheit der Meere und Verzicht auf die Anwendung von Gewalt im Verkehr zwischen den Völkern.
Die zweite wichtige anglo-amerikanische Konferenz fand im Januar 1943 in Casablanca statt. Sie führte zu dem offiziellen Entschluss, mit den Achsenmächten und ihren Balkan-Satelliten nur auf der Grundlage einer „bedingungslosen Kapitulation" Frieden zu schliessen. Diese zuerst von Präsident Roosevelt formulierte Bedingung sollte sämtlichen am Kriege beteiligten Völkern die Gewissheit geben, dass mit den Exponenten des Faschismus und des Nazismus keinerlei Friedensverhandlungen geführt werden würden und dass weder der Faschismus noch der Nazismus darauf hoffen konnten, auch nur einen Schatten der Macht für sich einzuhandeln. Die Forderung machte ferner deutlich, dass die militärischen Beherrscher Deutschlands, Italiens und Japans ihre uneingeschränkte und völlige Niederlage vor der gesamten Welt eingestehen müssten, bevor ihren Völkern die Friedensbedingungen bekanntgegeben werden könnten. Wie Roosevelt wenig später in einer Rundfunkansprache erklärte: „Wir haben nicht das Kompromiss aus unserer Politik verbannt, um dem einfachen Mann in den Staaten der ‚Achse' zu schaden. Es ist aber unsere ernste Absicht, ihre schuldbeladenen und barbarischen Führer das volle Gewicht der Strafe und Vergeltung spüren zu lassen."
Andere mit der militärischen und diplomatischen Strategie verbundenen Pläne wurden im August 1943 auf einer weiteren anglo-amerikanischen Konferenz in Quebec erörtert, auf der auch das gemeinsame Vorgehen gegen Japan zur Sprache kam. Besonders ein Ergebnis der Besprechungen in Quebec, das nicht nu in weiten Kreisen der Bevölkerung, sondern auch unter den engsten Beratern des Präsidenten ernste Meinungsverschiedenheiten hervorrief, regte in den Vereinigten Staaten eine lebhafte Diskussion über die in Deutschland zu verfolgende Politik der Alliierten an. Die Debatte knüpfte an die Schlussabsätze des Quebec-Abkommens an, in dem Roosevelt und Churchill ihrer Ansicht Ausdruck gaben, dass die beabsichtigte Zerschlagung der Kriegsindustrie im Ruhrgebiet und an der Saar das Ziel verfolge, „Deutschland in ein vorwiegend von Ackerbau und Viehzucht bestimmtes Gebiet zu verwandeln." Diese Idee hatte ihren Ursprung in dem wachsenden Abscheu vor den Untaten der Nazis und dem sich verbreitenden Wissen um ihre grauenhaften, an den besiegten Völkern verübten Kriegsverbrechen und gründete sich auf die Überzeugung, dass man den Wiederaufstieg einer Macht, die solch sittlicher Verwerflichkeit und blinder Zerstörungswut fähig war, unter allen Umständen verhindern müsse. Sehr bald wiesen aber Aussenminister Hull, Kriegsminister Stimson und andere Persönlichkeiten darauf hin, dass es trotz der allgemeinen und weitgehenden Übereinstimmung über den Zweck nicht klug wäre, die im Quebec-Abkommen vorgeschlagenen Mittel zu benutzen. Wenige Wochen später bereits änderte Roosevelt seine Ansicht über die Zweck-mässigkeit des in Quebec befürworteten sogenannten „Morgenthau-Plans", und bald schwenkte auch die amerikanische Politik auf eine neue Linie ein, wie sie Stimson in einem Präsident Roosevelt unterbreiteten Memorandum empfohlen hatte. Der Kriegsminister hatte darauf hingewiesen, dass jeder Versuch, Deutschland zu einem Agrarstaat zu machen, ganz Mitteleuropa in Armut stürzen müsse: „Ruhige Überlegungen machen es klar ..., dass Armut in einem Teile der Welt in der Regel zu Armut auch in anderen Teilen führt. Erzwungene Armut ist aber noch schlimmer, denn sie vernichtet nicht nur den Lebensmut des Unterlegenen, sondern erniedrigt auch den Sieger. Es wäre ein ebensolches Verbrechen, wie es die Deutschen an ihren Opfern zu verüben beabsichtigt hatten. Es wäre ein Verbrechen gegen die Zivilisation selbst." Roosevelt antwortete Stimson, dass er „nicht beabsichtige, Deutschland in einen Agrarstaat zu verwandeln", und auch Präsident Truman teilte später Stimsons Auffassung über die in Deutschland zu verfolgende Wirtschaftspolitik und ersuchte ihn, seine Vorschläge für die Behandlung Deutschlands ausführlicher auszuarbeiten. „Man muss seine Regierung beaufsichtigen", erklärte Stimson daraufhin, „bis die im Sinne der Nazis erzogene Generation von der Bildfläche verschwunden ist - es wird eine lange Zeit in Anspruch nehmen. Aber man darf die Deutschen nicht der Mittel berauben, ein letzten Endes befriedetes Deutschland zu schaffen, das sein Ziel in einem jenseits des Militärischen liegenden zivilisierten Dasein erblicken kann ... Es liegt im Interesse der gesamten Welt, dass Deutsche und Österreicher unter dem Druck der Not nicht zu undemokratischen, räuberischen Lebensgewohnheiten geradezu gezwungen werden."
Im Oktober 1943 trafen sich die Aussenminister Englands, der Vereinigten Staaten und Russlands in Moskau. Sie bestätigten erneut den Grundsatz der „bedingungslosen Kapitulation", verlangten die endgültige Beseitigung des italienischen Faschismus und die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs und sahen ferner auch für die Nachkriegszeit eine Zusammenarbeit zwischen den kriegführenden Mächten zur Sicherung des Friedens vor. Eine weitere Konferenz fand in Kairo statt, wo Roosevelt und Churchill mit Tschiang Kaischek zusammentrafen. Sie einigten sich auf die Waffenstillstandsbestimmungen für Japan und verlangten darin unter anderem den Verzicht Japans auf alle Gewinne aus früheren Aggressionen. Auf der Konferenz von Teheran bekräftigten Roosevelt, Churchill und Stalin schliesslich am 28. November 1943 die Beschlüsse der Moskauer Konferenz und forderten die Schaffung eines dauerhaften Friedens durch die Gründung der Vereinten Nationen.
Fast zwei Jahre später, im Februar 1945, als sich der Sieg schon klar abzeichnete, kamen sie erneut in Jalta zusammen und schlossen eine Reihe zusätzlicher Abmachungen. Russland erklärte sich in einer geheimen Vereinbarung bereit, kurz nach der Kapitulation Deutschlands in den Krieg gegen Japan einzutreten; als Ostgrenze Polens wurde im grossen und ganzen die 1919 gezogene Curzon-Linie festgesetzt; Stalin verlangte von Deutschland hohe Reparationsleistungen in Sachwerten, traf jedoch bei Roosevelt und Churchill auf Widerstand, und nach eingehender Diskussion wurde die Entscheidung auf später verschoben; andere im Detail ausgearbeitete Vereinbarungen betrafen die Besetzung Deutschlands und die gerichtliche Verfolgung und Bestrafung der Kriegsverbrecher. Die Konferenzteilnehmer beschlossen ferner, die befreiten Gebiete nach den Grundsätzen der Atlantik-Charta wieder aufzubauen, und wurden sich darüber einig, dass die im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertretenen Mächte in Angelegenheiten, die ihre eigene Sicherheit betrafen, das Vetorecht haben sollten. Erst nach erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Roosevelt auf der einen und Stalin und Churchill auf der anderen Seite wurde entschieden, dass alle Mächte die Forderung der Sowjetunion nach zwei zusätzlichen Stimmen in der Vollversammlung der Vereinten Nationen im Hinblick auf die hohen Bevölkerungszahlen der Ukraine und Weissrusslands unterstützen sollten. Die amerikanische Delegation verliess die Konferenz mit grossen Hoffnungen, die sich jedoch später als nicht voll berechtigt erweisen sollten, und es war ehrlichste Überzeugung, als Roosevelt dem amerikanischen Volke berichtete: „Wir sind uns in unseren Überzeugungen einig geworden und haben einen Weg gefunden, miteinander auszukommen."
Nur zwei Monate nach seiner Rückkehr aus Jalta erlag Franklin Delano Roosevelt während eines Ferienaufenthaltes in seinem „Kleinen Weissen Haus" in Georgia einem Gehirnschlag. Wenige Gestalten der amerikanischen Geschichte sind im In- und Ausland so tief betrauert worden wie er, und das Gefühl, einen grossen und unersetzlichen Verlust erlitten zu haben, schwand lange Zeit nicht aus dem amerikanischen Volk. Für die Leitung eines demokratischen Gemeinwesens darf jedoch grundsätzlich niemand unentbehrlich sein, und so sollte keine lange Frist verstreichen, bis Roosevelts Nachfolger Harry S. Truman in der Innen- und Aussenpolitik die wesentlichen Ziele des New Deal mit vollem Erfolg weiterverfolgte.
Als England, die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion im Juli 1945 zur Potsdamer Konferenz zusammentraten, war Deutschlands Kapitulation bereits Geschichte geworden, und da der Termin der englischen Wahlen mitten in die Verhandlungen fiel, waren Churchill und Clement Attlee zunächst gemeinsam anwesend; nach den Wahlen wurde Grossbritannien von Attlee allein repräsentiert. Im Mittelpunkt der Konferenz, die auch gewisse Probleme des Krieges gegen Japan zu erörtern hatte, standen die Entscheidungen über die Besatzungspolitik und die Zukunft Deutschlands. Über die Notwendigkeit, bei der Umerziehung der unter dem Naziregime aufgewachsenen Generation mitzuhelfen, und über die allgemeinen Grundsätze, die bei der Wiederaufrichtung eines demokratischen politischen Lebens in Deutschland in Anwendung kommen sollten, wurde man sich rasch einig. Viel Zeit wurde jedoch für die Erörterung der gegen Deutschland erhobenen Reparationsansprüche aufgewandt. Man beschloss den Abtransport industrieller Anlagen und anderer Sachwerte durch die Sowjetunion aus der russisch besetzten Zone und billigte der USSR ausserdem in begrenztem Umfang zusätzliche Sachwerte aus den Westzonen zu. Der russische Gesamtanspruch auf zehn Milliarden Dollar Entschädigung, der bereits in Jalta erhoben worden war, blieb jedoch auch weiterhin umstritten.
Im November 1945 begannen in Nürnberg die Kriegsverbrecherprozesse, die in Potsdam vereinbart worden waren. Die deutschen Führer von Gestern wurden vor einem Gremium hervorragender englischer, französischer, russischer und amerikanischer Juristen nicht nur der Planung und Durchführung von Angriffskriegen, sondern auch des Verstosses gegen das Kriegsrecht und gegen die Gesetze der Menschlichkeit angeklagt. Diese Gerichtsverfahren beschworen noch einmal Bilder herauf, von denen sich die amerikanische Öffentlichkeit und die gesamte zivilisierte Welt nur mit Schaudern abwenden konnte: Deutsche, die in Dachau und Belsen Leichen zu Bergen stapelten, Juden in Viehwagen trieben und ihre Opfer systematisch vernichteten und vergasten, Europäer zu Millionen versklavten und verhungern liessen und die Medizin in den Dienst des Massenmordes zwangen ... Der Hauptkriegsverbrecherprozess dauerte über zehn Monate und endete mit drei Ausnahmen mit der Verurteilung aller Angeklagten.
Während in Potsdam noch verhandelt wurde, traten Delegierte von einundfünfzig Ländern in San Francisco zusammen, um den organisatorischen Rahmen für die Vereinten Nationen zu schaffen. Das Ergebnis einer acht Wochen dauernden Zusammenarbeit war die Charta der Vereinten Nationen, ein Plan für eine Weltorganisation, in der internationale Differenzen friedlich erörtert werden sollten: eine neue Hoffnung auf den Frieden auf Erden.
Im Innern sah sich die amerikanische Regierung einer Reihe von brennenden Problemen gegenüber, die der Gegenwart noch zu nahe liegen und so das geschichtliche Urteil zur Bescheidung zwingen. Die Entlassung der Soldaten ins Zivilleben, die Umstellung der Industrie auf Friedenswirtschaft, Arbeitsstreitigkeiten und die Stellung der Gewerkschaften, Preis- und Mietkontrollen, die Planung einer bundeseinheitlichen Politik mit dem Ziel, die Vollbeschäftigung in der amerikanischen Wirtschaft zu gewährleisten - dies waren einige der Probleme, mit denen die Regierung Trumans zu ringen hatte. Nach Überwindung der unmittelbar in der Nachkriegszeit auftauchenden Umstellungsschwierigkeiten zeichnete sich jedoch die Tatsache ab, dass die amerikanische Wirtschaft stärker als je zuvor aus dem Kriege hervorgegangen war. Das jährliche Volkseinkommen, welches 1939 rund 72,5 Milliarden Dollar betragen hatte, war auf 182,8 Milliarden Dollar gestiegen, und der Zuwachs in einer Weise auf die verschiedenen Schichten verteilt, die erkennen liess, dass sich die wirtschaftliche Lage der zu den niederen Einkommensgruppen gehörenden Familien gebessert hatte.
Zu den wesentlichsten und weittragendsten Problemen, die Amerika und die Welt zu lösen hatten, gehörte die Entwicklung und Kontrolle der Atomenergie. Im Juli 1946 schuf der Kongress die aus fünf Mitgliedern bestehende United States Atomic Energy Commission, die mit der Überwachung der Atomenergieerzeugung in Amerika beauftragt wurde, und schrieb ausdrücklich vor, dass diese Macht ausschliesslich Zivilisten und nicht dem Militär anvertraut werden dürfe. Auf der Eröffnungssitzung der Atomenergiekommission der Vereinten Nationen im Juni 1946 schlug Bernard Baruch im Auftrag der Vereinigten Staaten die Schaffung einer internationalen Behörde vor, die ermächtigt werden sollte, die Kontrolle über alle mit Atomenergie zusammenhängenden Tätigkeiten auszuüben, von denen eine Gefährdung der internationalen Sicherheit zu befürchten war. Sie sollte ferner das Recht haben, alle übrigen Arbeiten mit Atomenergie zu überwachen, zu inspizieren und zu genehmigen. Der Plan sah weiter vor, die Verwendung von Atombomben zu bannen und die internationale Kontrollbehörde zu ermächtigen, Verstösse gegen den Bann zu bestrafen. Schliesslich erklärten sich die Vereinigten Staaten bereit, die Fertigung weiterer Bomben einzustellen, ihren Bombenvorrat zu vernichten und der Welt ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse zugänglich zu machen - aber nicht bevor eine entsprechende internationale Behörde in wirksamer Weise die Arbeit aufgenommen hätte. Der sowjetische Sprecher Gromyko widersetzte sich jedoch einer weitreichenden internationalen Kontrolle, wie die amerikanische Regierung sie befürwortete, und nahm besonders daran Anstoss, dass der Baruch-Plan ein Veto gegen Anordnungen der neuen Atomkontrollbehörde ausschloss. Er schlug stattdessen vor, dass alle Mächte einfach ihren Verzicht auf die Anwendung von Atomwaffen erklären sollten, ohne besondere internationale Kontrollen oder Inspektionen zu schaffen. Diese Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion in den Fragen der Atomkontrolle wie auch in anderen Abrüstungsproblemen liessen sich nicht beilegen, und es stellte sich heraus, dass der Weg zum Frieden schwierig und voll von Hindernissen sein würde, solange diese und andere Differenzen nicht gelöst waren.
In den Vereinigten Staaten beobachtete man mit grosser Besorgnis, wie immer grössere Teile Europas unter die Gewalt sowjetfreundlicher Regierungen gerieten, ohne dass ihre Bevölkerung Gelegenheit zu einer wirklich freien Entscheidung gehabt hätte. Bis zum Frühjahr 1947 waren Polen, Ungarn, die Tschechoslowakei, Rumänien und Bulgarien sowie die sowjetisch besetzte Zone in Deutschland diesen Weg gegangen. Als in dem gleichen Frühjahr 1947 die Schwierigkeiten in Griechenland grössere Ausmasse anzunehmen drohten, ersuchte Präsident Truman den Kongress um die Billigung eines Programms, das wirtschaftliche und militärische Hilfe an Griechenland und die Türkei im Werte von 400 Millionen Dollar vorsah, und erklärte u.a.: „Ich glaube, dass es die Politik der Vereinigten Staaten sein muss, alle freien Völker zu unterstützen, die sich Unterdrückungsversuchen durch bewaffnete Minderheiten oder durch Druck von aussen widersetzen." Diese aussenpolitische Erklärung, die Truman Doctrine, wurde in den Vereinigten Staaten heftig diskutiert, fand jedoch am 15. Mai 1947 die Zustimmung des Kongresses.
Ausser Griechenland und der Türkei benötigten jedoch auch andere europäische Länder wirtschaftliche Hilfe, und der grosse Gegensatz zwischen der wirtschaftlichen Stärke der Vereinigten Staaten und den Schwierigkeiten, mit denen die europäischen Staaten bei der Beseitigung der Schäden des Krieges zu kämpfen hatten, erhöhte die Verantwortlichkeit der USA und verlangte nach einer wahrhaft staatsmännischen Tat. In diesem Zusammenhang wies Aussenminister George C. Marshall ein 5. Juni 1947 in einer Eröffnungsansprache an der Harvard-Universität auf einen neuen Weg hin und erklärte: „Es ist logisch, dass die Vereinigten Staaten alles tun müssen, was in ihren Kräften steht, um mitzuhelfen, eine Rückkehr zu einer normalen und gesunden Weltwirtschaft herbeizuführen, weil es ohne sie keine Politik auf lange Sicht und keinen gesicherten Frieden geben kann. Unsere Politik richtet sich gegen kein Land und gegen keine Ideologie, sondern gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos. Sie muss nach der Erneuerung einer lebensfähigen Weltwirtschaft trachten und so politische und wirtschaftliche Verhältnisse ins Leben rufen, unter denen freie Einrichtungen existieren können."
Die Wirtschaftshilfe, die Marshall in dieser Rede verlangte, hätte nach der ursprünglichen Absicht ihres Schöpfers ganz Europa einschliesslich der Sowjetunion und der unter ihrem Einfluss stehenden Länder zugute kommen sollen. England und Frankreich gingen auch unverzüglich und begeistert auf Marshalls Angebot ein und forderten die Sowjetunion auf, sich ihnen anzuschliessen. Molotow aber griff den Marshallplan als „imperialistische Verschwörung" an. Auch in den Vereinigten Staaten rief der Plan scharfe Kritik hervor, denn zahlreiche Senatoren zogen ihn wegen der erforderlichen gewaltigen Geldaufwendungen in Zweifel. Es kam jedoch zu einer Einigung, als Senator Arthur H. Vandenberg von Michigan, ein führender republikanischer Politiker und früherer Anhänger des Isolationismus, Marshall unterstützte und viele seiner Kollegen für eine entschiedene Billigung des Prinzips einer von beiden Parteien getragenen Aussenpolitik gewann. Im April 1948 schuf der Kongress durch ein Gesetz das Europahilfsprogramm (European Recovery Program), mit dem sich die Vereinigten Staaten in einem Vierjahresplan zu wirtschaftlicher Hilfe an sechzehn europäische Länder verpflichteten, und bewilligte fünf Milliarden Dollar für das erste ERP-Jahr. Zweieinhalb Jahre nach dem Beginn des Europahilfsprogramms - im Februar 1951 - war die wirtschaftliche Wiedergesundung Europas zu einer unleugbaren Tatsache geworden. Die industrielle Produktion hatte den Stand der Vorkriegsjahre um 27% überschritten; es wurden 24% mehr Rohstahl, 90% mehr Motorfahrzeuge und 25% mehr Textilprodukte hergestellt. Die Bauern konnten im Jahre 1950 eine Rekordernte einbringen und hatten in der Viehzucht den Stand der Vorkriegszeit erreicht. Die Erzeugung von elektrischem Strom war um mehr als 80% gestiegen. Die Währungen der verschiedenen Länder waren stabilisiert worden. Der Strom der ERP-Lieferungen aus den Farmen, Wäldern, Bergwerken und Fabriken der westlichen Hemisphäre nach Westeuropa war ständig angewachsen. Der amerikanische Kongress hatte im Namen des amerikanischen Volkes Waren und Dienstleistungen im Werte von 12 Milliarden Dollar Europa zur Verfügung gestellt.
Als die Welt so in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eintrat, war sich die grosse Mehrheit des amerikanischen Volkes dessen bewusst, dass die politische, wirtschaftliche und moralische Isolierung der Vereinigten Staaten endgültig und vollständig zum Abschluss gekommen war. Im Inneren arbeitete die Nation an der Vervollkommnung von Reformen, die bereits in der New Deal-Periode eingeleitet worden waren; die Aussenpolitik der USA war vor allem darauf festgelegt, ein wirtschaftlich gesundes und politisch freies Westeuropa schaffen zu helfen, das die Keimzelle einer besseren Zukunft für die gesamte Welt werden sollte, wie Präsident Truman es in einer denkwürdigen Botschaft an den amerikanischen Kongress im Januar 1949 formulierte, in der er die Fortsetzung der Hilfeleistungen an die freien Völker forderte und das Bekenntnis Amerikas zu seinen demokratischen Grundsätzen erneuerte:
„Die Demokratie allein vermag den Völkern der Welt die lebendige Kraft zur Tat zu geben, um nicht nur gegen ihre menschlichen Bedrücker, sondern auch gegen ihre uralten Feinde Hunger, Elend und Verzweiflung siegreich zu bestehen. Die Geschichte hat unserer amerikanischen Demokratie einen neuen Einfluss und eine neue Verantwortung gebracht."