Der Weg zur Unabhängigkeit

"Wir halten diese Wahrheiten für unmittelbar einleuchtend: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräusserlichen Rechten ausgestattet sind, so mit Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück."

Unabhängigkeitserklärung
4. Juli, 1776

John Adams, der zweite Präsident der Vereinigten Staaten, hatte das Glück, ein Alter zu erreichen, da man mit Reife und philosophischem Abstand auf die Taten der Mannesjahre zurückzublicken liebt. Aus einer solchen Stimmung seiner späteren Lebenszeit ist ein Brief erhalten, in dem er erklärte, dass die Geschichte der amerikanischen Revolution bereits mit dem Jahre 1620 angefangen habe. „Die Revolution", schrieb er, „war Wirklichkeit, noch bevor der Krieg begonnen hatte. Die Revolution lebte im Geist und im Herzen des Volkes." Die Grundsätze und Gefühle, die die Amerikaner zum Aufstand getrieben hatten, müsse man durch „zwei Jahrhunderte zurückverfolgen und in der Geschichte des Landes, von der ersten amerikanischen Pflanzung an, suchen."

Dass sich die Wege Englands und Amerikas einmal scheiden würden, wurde jedoch in Wirklichkeit erst nach 1763 offenbar. Um jene Zeit waren gute hundertfünfzig Jahre seit Gründung der ersten Niederlassung, Jamestown in Virginia, vergangen; die verschiedenen Kolonien waren in Wirtschaft und Kultur reifer geworden, fast alle hatten lange Jahre der Selbstverwaltung hinter sich, ihre Bevölkerung war seit 1700 von 250 000 auf insgesamt 1500 000 gestiegen.

Was dieses äussere Wachstum der Kolonien bedeutete, lässt sich jedoch nicht in Zahlen ausdrücken. Im 18. Jahrhundert hatte sich, dank des Einwandererstromes aus Europa, das Siedlungsgebiet ausgedehnt, und da der beste Boden nahe der Küste bereits vergeben war, hatten die Kolonisten, die später gelandet waren, über jene Linie hinaus ins Innere vordringen müssen, wo die Flüsse aus dem Hügelland in die Ebene hinaustreten. Händler erkundeten das Hinterland und bewogen durch ihre Berichte von fruchtbaren Tälern im Westen tatkräftige Farmer, die besseres oder billigeres Land suchten, mit ihren Familien in die Wildnis zu ziehen und dort auf gottverlassenen Lichtungen ihre Blockhütten zu zimmern. Sie mussten vielen Unbilden trotzen; der Erfolg aber lohnte die Mühen reichlich, denn immer mehr Kolonisten kamen nach, und bald bevölkerten die Pioniere, in vollem Vertrauen auf die eigene Kraft, die Täler des Hinterlands. Im dritten Jahrzehnt des Jahrhunderts waren die Männer der frontier mit ihren Familien bereits über die Grenzen Pennsylvanias hinaus in das Shenandoahtal vorgedrungen; andere Flussläufe wiesen den Weg nach einem noch ferneren Lande: dem „Westen".

Bis zum Jahre 1763 hatte Grossbritannien in seinen Kolonien keine konsequent imperialistische Politik getrieben. Die englische Krone hatte sich im wesentlichen von dem merkantilistischen Gesichtspunkt leiten lassen, dass Kolonien das Mutterland mit Rohstoffen zu versorgen hätten, aber nicht durch eigene Industrien mit ihm in Wettbewerb treten dürften. Dieses Prinzip war nicht sehr strikt angewandt worden; die Kolonien hatten sich nie nur für Teile eines in sich geschlossenen Ganzen angesehen, sondern sich hauptsächlich als bürgerliche Gemeinwesen oder Staaten, ungefähr nach dem Muster Englands, betrachtet und waren nur lose mit den Behörden in London verbunden. Von Zeit zu Zeit hatten sich die Gemüter in England erregt, und Parlament oder Krone hatten sich bemüht, die Kolonien wirtschaftlich und politisch dem Willen und den Interessen Englands stärker unterzuordnen. Die grosse Mehrheit der Kolonisten aber hatte sich dagegen aufgelehnt, und der Gedanke an die dreitausend Seemeilen zwischen ihnen und dem Mutterland hatte die Angst vor Strafe für solchen Ungehorsam nicht recht aufkommen lassen.

Die politische Ruhe und Sicherheit, die die grosse Entfernung von England den Kolonisten garantiert hatte, wurde durch das Leben in der amerikanischen Wildnis noch weiter verstärkt. Sie waren aus vorwiegend landwirtschaftlichen Gebieten mit beschränktem Raum und aus bevölkerten Städten in ein grenzenloses, weites Gebiet mit dichten Wäldern und grossen Flüssen gekommen. Männer und Frauen, die in Städten oder Dörfern aufgewachsen waren, hatten in der Neuen Welt ein in der Gemeinschaft verankertes Leben mit einem Dasein vertauschen müssen, in dem der Einzelne fast ganz auf sich selbst gestellt war. So war alles in ihrer neuen Umgebung dazu angetan, die Siedler die Macht der britischen Regierung vergessen zu lassen. Es war allerdings auch keine Notwendigkeit dafür vorhanden; die politische Ordnung in den Kolonien ruhte zwar auf den gleichen Grundlagen wie in England, aber die tausenderlei Gesetze, die aus den Notwendigkeiten der hochentwickelten englischen Gesellschaft herausgewachsen waren, verloren in den spärlich besiedelten Wäldern der Neuen Welt Bedeutung und Nutzen. Die Kolonisten mussten sie abschaffen und neue Gesetze an ihre Stelle setzen, und da sie von der Regierung wenig zu fürchten hatten und meist auch ohne sie fertig wurden, lernten sie, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und allen Zwang zu hassen, und waren „geneigt, zu tun und zu lassen, was ihnen beliebte."

Von allem Anfang an konnten sie hier von der ererbten Überlieferung von dem langen Kampf des Engländers um die politische Freiheit grossen Nutzen ziehen. Die Ideen, die in diesem Kampf herausgearbeitet worden waren, fanden ihren formellen Niederschlag im ersten Freibrief für Virginia, kraft dessen die Kolonisten die gleichen Freiheiten, Vorteile und Rechtsgarantien geniessen sollten, „als wenn sie in diesem Unserem Englischen Reiche wohnten und geboren wären", d.h. die Magna Carta und das englische „Gemeine Recht" (Common Law) sollten auch ihnen zugute kommen. Zu Beginn der Gründungszeit konnten sie ihre angestammten Rechte durchsetzen, weil die Krone willkürlich den Standpunkt vertrat, dass die Kolonisten der Kontrolle des Parlaments nicht unterworfen seien, und in den Jahren, die folgten, hatten die englischen Könige zu ausschliesslich mit Kämpfen im Inneren Englands zu tun - Kämpfen, die ihren Höhepunkt in der Revolution der Puritaner fanden -, um sich um die Kolonien zu kümmern. Ehe sich das Parlament damit befassen konnte, sie unter einer einheitlichen Reichspolitik zusammenzufassen, waren die Kolonien zu stark geworden und hatten sich in ihrer eigenen Weise entwickelt.

Von dem Augenblick an, da sie den neuen Erdteil betreten hatten, lebten die Kolonisten dem englischen Gesetz und der englischen Verfassung gemäss. Sie besassen gesetzgebende Versammlungen und auf Volksvertretung beruhende Regierungen und genossen die persönliche Freiheit, die das Common Law garantierte. Aber die Gesetzgebung wandelte sich immer stärker nach amerikanischen Gesichtspunkten, und englisches Verfahren und Beispiel traten mehr und mehr in den Hintergrund. Die Befreiung der Kolonien von tatsächlicher englischer Überwachung jedoch wurde nicht kampflos erreicht: die Kolonialgeschichte berichtet von unzähligen Auseinandersetzungen zwischen den gewählten Volksvertretungen und den Gouverneuren, meist vom englischen König eingesetzten Beamten, die für die Kolonisten den gefährlichen Geist des Vorrechts verkörperten und ihnen stets als Bedrohung ihrer Freiheiten vor Augen standen. Oft konnten die Kolonisten diesen Statthaltern des Königs die Macht aus der Hand winden, denn in der Regel hatten die Gouverneure „nur das Auskommen, das ihnen die Versammlungen zubilligten." Auf Anweisung des Königs spielten die Gouverneure gelegentlich einflussreichen Siedlern Land oder vorteilhafte Positionen in die Hände, um ihre Unterstützung für die Pläne und Absichten der Krone zu gewinnen; waren solche Kolonialbeamte aber ihrer Einkünfte erst einmal sicher, dann vertraten sie gewöhnlich die Interessen der Kolonie genau wie zuvor.

In den immer wiederkehrenden Zusammenstössen zwischen dem Gouverneur, dem Sinnbild des monarchischen Prinzips und eines von aussen her einwirkenden herrschaftlichen Zwangs, und der Volksvertretung, dem Symbol regionaler Unabhängigkeit und des demokratischen Prinzips, erwachte und schärfte sich der Sinn der Kolonisten für die Kluft zwischen englischen und amerikanischen Interessen. Im Laufe der Zeit übernahmen die Versammlungen in steigendem Masse die Funktionen der Gouverneure und ihrer Räte, zu denen Kolonisten aus Anerkennung für blinden Gehorsam gegen den König und seine Politik bestellt worden waren, und das Schwergewicht der Kolonialverwaltung verlagerte sich allmählich von London nach den Hauptstädten der amerikanischen Provinzen. Kurz nach 1770 aber wurde ein Versuch gemacht, dieses Verhältnis der Kolonien zum Mutterland von Grund auf zu ändern. Die Hauptursache für diesen Wechsel lag in der endgültigen Ausschaltung der Franzosen aus der Herrschaft über den nordamerikanischen Kontinent.

Während die Briten längs der Atlantikküste schmucke Farmen, ausgedehnte Pflanzungen und betriebsame Städte angelegt hatten, hatten die Franzosen im Sankt-Lorenz-Tal im Osten Kanadas Kolonien eines anderen Typus gegründet. Sie hatten Forschungsreisende, Missionare und Pelzhändler, aber nur wenige Siedler über das Wasser geschickt und neben dem Sankt-Lorenz- auch vom Mississippital Besitz ergriffen. Durch eine Kette von Forts und Handelsposten hatten sie sich langsam ein Kolonialreich abgesteckt, das sich halbmondförmig von Quebec im Nordosten bis nach New Orleans im Süden erstreckte und die Engländer auf den schmalen Raum östlich der Appalachen einengte.

Die Briten aber hatten sich schon lange gegen solche „französischen Übergriffe" gewehrt. Seit 1613 war es zwischen französischen und englischen Kolonisten zu Zusammenstössen gekommen, die sich zu regelrechten Kriegen entwickelten und auf amerikanischem Boden das Auf und Ab des weltpolitischen Konflikts zwischen England und Frankreich widerspiegelten. 1689-1697 wurde im „König-Wilhelm-Krieg" (King William's War) die amerikanische Phase des Pfälzischen Krieges ausgefochten; der „Königin-Anna-Krieg" (Queen Anne's War, 1701-1713) entsprach dem Spanischen Erbfolge-krieg, der „König-Georg-Krieg" (King George's War, 1744-1748) dem Österreichischen Erbfolgekrieg. Obwohl England aus diesen Kriegen mit gewissen Erfolgen hervorgegangen war, war eine endgültige Entscheidung ausgeblieben; Frankreich hatte seine starke Position auf dem amerikanischen Kontinent behaupten können.

Zwischen 1750 und 1760 trat der Konflikt in seine Endphase ein. Nach dem Aachener Frieden von 1748 hatten die Franzosen ihre Stellung im Mississippital verstärkt, und zu gleicher Zeit hatte sich die Wanderungsbewegung englischer Kolonisten über die Alleghanies beschleunigt. Dieses Wettrennen um das gleiche Gebiet hatte 1754 zu einem bewaffneten Zusammenstoss geführt, an dem Bürgerwehren Virginias unter dem zweiundzwanzigjährigen George Washington und - auf französischer Seite - eine Abteilung regulärer Truppen beteiligt waren. So begann der „Französisch-Indianische Krieg", in dem die Engländer mit den ihnen verbündeten Indianern gegen die Franzosen und deren eigene indianische Bundesgenossen kämpften; er sollte für alle Zukunft darüber entscheiden, ob die Franzosen oder die Engländer Nordamerika beherrschen würden.

Damals - wie nie zuvor - brauchten die britischen Kolonien jene Tatkraft, die Einigkeit verleiht, denn nicht nur das britische Empire, sondern die amerikanischen Kolonisten selbst waren durch die Stellung Frankreichs unmittelbar bedroht: die Franzosen im Mississippi-tal hätten dem Vordringen amerikanischer Siedler nach Westen Halt gebieten und damit die Quelle kolonialer Stärke und kolonialen Gedeihens versiegen lassen können. Überdies hatte sich die französische Herrschaft über Kanada und Louisiana nicht nur gefestigt, sondern auch an Ansehen bei den Indianern gewonnen; sogar die Irokesen, die traditionellen Bundesgenossen der Engländer, wurden ihren alten Freunden abspenstig gemacht. Jeder britische Siedler, der Erfahrung mit den Indianern hatte, wusste, dass in einem erneuten Krieg nur drastische Massnahmen eine Katastrophe würden abwenden können.

In diesem kritischen Augenblick wies das britische Handelsministerium, das über die langsame Verschlechterung der Beziehungen zu den Indianern auf dem laufenden gehalten worden war, den Gouverneur von New York und Bevollmächtigte der anderen Kolonien an, die Irokesen-häuptlinge zu gemeinsamen Vertragsverhandlungen einzuladen. Zu diesem Zweck trafen im Juni 1754 Vertreter New Yorks, Pennsylvanias, Marylands und der Neu-England-Kolonien mit den Irokesen in Albany zusammen; die Indianer brachten ihre Beschwerden vor, die Delegierten erkannten sie in ihrem Bericht als zu Recht bestehend an und empfahlen entsprechende Schritte.

Die Versammlungsteilnehmer gingen jedoch weit über ihren ursprünglichen Zweck - die Lösung des Indianerproblems - hinaus. Die an der Zusammenkunft beteiligten Vertreter der Kolonien erklärten, dass ein Zusammenschluss der amerikanischen Kolonien „für ihr Fortbestehen unerlässlich" sei und nahmen den von Benjamin Franklin entworfenen „Bundesplan von Albany" (Albany Plan of Union) an. Nach diesem Plan sollte ein vom englischen König eingesetzter Präsident gemeinsam mit einem von den Volksvertretungen der Kolonien gewählten Grossen Delegiertenrat regieren; jede Kolonie sollte dort je nach ihren Beiträgen zum gemeinsamen Staatsschatz vertreten sein, die Regierung alle britischen Interessen im Westen - Verträge mit den Indianern, Handel, Verteidigung und Siedlungswesen - wahrnehmen. Franklins Plan wurde jedoch von keiner der Kolonien angenommen, denn keine wollte das Recht, Steuern zu erheben oder die Entwicklung des Westens zu leiten, einer fremden Körperschaft abtreten.

Der Krieg mit Frankreich wurde von den Kolonien im allgemeinen wenig unterstützt; alle Bemühungen, ein „Pflichtgefühl dem König gegenüber" zu erwecken, blieben erfolglos. Was immer an Hilfe von der einen oder anderen Kolonie kam, war dadurch beeinträchtigt, dass es kein Kriegsziel gab, für das sich zu kämpfen gelohnt hätte; die Kolonisten sahen in dem Krieg nur die imperialistische Auseinandersetzung zwischen Frankreich und England, und es kümmerte sie wenig, dass die britische Regierung Truppen in grosser Zahl nach Amerika senden musste, um Schlachten für die Kolonien zu schlagen. Sie bedauerten es auch keineswegs, dass die englischen „Rotröcke" und nicht die einheimischen Milizen das Lob für den Sieg einheimsten, und sahen nicht ein, weshalb sie nicht weiter Handel treiben sollten - auch wenn es schliesslich auf „Handel mit dem Feind" hinauslief.

Am Ende trugen die Engländer - dank ihrer günstigeren strategischen Position, ihrer überlegenen Marine und ihrer tüchtigeren Führung - auch ohne eine wirkliche Unterstützung durch die Kolonien und trotz anfänglicher Niederlagen einen vollen Sieg davon. Nach achtjährigen Kämpfen fielen ihnen Kanada und das obere Mississippital zu; der Traum von einem französischen Kolonialreich in Nordamerika war ausgeträumt.

Nach dem Triumph über Frankreich - in Amerika, in Indien, in der ganzen kolonialen Welt - musste Grossbritannien den Problemen seines Empires, das es bis dahin vernachlässigt hatte, zu Leibe gehen, denn nun war es notwendig geworden, die weitausgedehnten Besitzungen für die gemeinsame Verteidigung zu organisieren, die widerstreitenden Interessen der verschiedenen Gebiete und Völker miteinander auszusöhnen und die Verwaltungskosten des Kolonialreiches gleichmässiger zu verteilen. In Nordamerika allein hatten sich die britischen Besitzungen um mehr als das Doppelte vergrössert. Dem schmalen Küstenstreifen am Atlantik war ein ungeheures Gebiet, ein wahres Empire - der weite kanadische Raum und das Land zwischen dem Mississippi und den Alleghanies - zugeschlagen worden. Zu einer Bevölkerung, die bisher überwiegend aus englischen Protestanten oder englisch beeinflussten anderen Europäern bestanden hatte, kamen nun französische Katholiken und eine beträchtliche Zahl erst halb christlicher Indianer hinzu. Verteidigung und Verwaltung der neuen Gebiete - von den alten ganz zu schweigen - erforderten riesige Summen Geldes und mehr Menschen. Das „alte Kolonialsystem", das eigentlich überhaupt kein System gewesen war, konnte diesen neuen Anforderungen offenbar nicht mehr genügen. In den kritischen Nöten des Krieges, als ihre Existenz selbst auf dem Spiel gestanden hatte, waren die Kolonisten unter dem alten System nicht zu Mithilfe und Zusammenarbeit zu bringen gewesen. Was also konnte man in Friedenszeiten, ohne Druck von aussen, von ihnen erhoffen?

So stand die Notwendigkeit, das Empire neuzugestalten, den Briten klar vor Augen; die Umstände, die in Amerika herrschten, waren jedoch einem Wechsel kaum günstig, denn die Kolonien, seit langem an weitreichende Unabhängigkeit gewöhnt, waren auf einer Stufe ihrer Entwicklung angekommen, auf der sie nicht weniger, sondern mehr Freiheiten verlangten, besonders seit die Gefahr, die von den Franzosen gedroht hatte, beseitigt war. Die britischen Staatsmänner, die ein neues System durchsetzen und eine strengere Herrschaft über die Kolonien ausüben wollten, sahen sich Siedlern gegenüber, die zur Selbstverwaltung erzogen worden waren und keine Einmischung dulden würden: selbstsicheren Unternehmern und Kaufleuten, politisch bewussten Handwerkern, Pflanzern, die sich stolz jeder Unterordnung unter imperialen Zwang widersetzen würden, Freisassen aus dem Hochland, die die Gesetze und Verordnungen des Empire kaum kannten und sich noch weniger an sie hielten, kolonialen Volksvertretungen, die gegen jede Einmischung in die Rechte ihrer Wähler auf der Hut sein würden. Viele Amerikaner kümmerten sich keinen Deut um das britische Empire; sie waren bis auf eine kleine Minderheit entschlossen, ihre eigenen Wege zu gehen und ihr eigenes Leben in dem Lande zu leben, wo sie der Wildnis eine neue Heimat abgewonnen hatten.

Zunächst bemühten sich die Briten, das Hinterland zu organisieren. Die Eroberung Kanadas und des Ohiotals stellte England vor die Aufgabe, ein Verwaltungssystem und eine Boden- und Religionspolitik zu finden, die ihnen die französische und indianische Bevölkerung nicht entfremden würden. Eine solche Politik musste aber mit den Interessen der Kolonien an der Küste in Konflikt geraten, deren Bevölkerung rasch stieg und die ihrerseits die neugewonnenen Gebiete ausbeuten wollten. Einige von ihnen, die mehr Land brauchten, beriefen sich auf ihr verbrieftes Recht, nach Westen bis zum Mississippi vorzudringen, und immer grössere Mengen von Kolonisten strömten über die Gebirgspässe, überzeugt davon, dass ihnen das neueroberte Land gehörte. Die britische Regierung aber fürchtete, dass der Zustrom der Pioniere neue Kriege mit den Indianern entfachen könnte; sie wollte den unruhigen Rothäuten Zeit lassen, sich zu beruhigen, und die neuen Gebiete nur allmählich den Kolonisten zugänglich machen. Aus diesem Grunde erging 1763 eine königliche Proklamation, die das gesamte westliche Gebiet zwischen den Alleghanies, Florida, dem Mississippi und Quebec den Indianern zusprach: die Krone versuchte, die Ansprüche der dreizehn Kolonien auf das Land im Westen mit einem Schlage hinwegzufegen und die Ausdehnung dorthin in gleicher Weise aufzuhalten wie zuvor die Franzosen durch ihre Eroberungen. Diese Massnahme konnte niemals wirksam ausgeführt werden; die entrüsteten Siedler betrachteten sie jedoch als willkürliche Verletzung ihres natürlichen Rechts, das Land im Westen nach Bedarf zu besiedeln und zu nutzen.

Ernstere Folgen hatte die neue Finanzpolitik der englischen Regierung. Die Erhaltung des grösseren Empires kostete Geld, und die Kolonien mussten dazu beitragen, wenn die englischen Steuerzahler nicht die ganze Last tragen sollten. Die Steuern in den Kolonien konnten nur von einer stärker zentralisierten Verwaltung eingetrieben werden, stärkere Zentralisierung aber musste die Selbstverwaltung der Kolonien weiter einschränken. Der erste Schritt in der neuen Richtung war das 1764 erlassene und zwei Jahre später ergänzte Zuckergesetz (Sugar Act), das die Erhöhung der Einkünfte aus den Kolonien zum alleinigen Ziel hatte und den Handel kaum einzuschränken suchte. Es setzte sogar einen älteren einschränkenden Erlass über die Regulierung des Handels ausser Kraft: während durch das ältere Melassegesetz (Molasses Act) von 1733 Zuckersäfte aus nichtenglischen Gebieten mit einem hohen Einfuhrzoll belegt worden waren, sah das neue Zuckergesetz nur allgemein für Sirup aus allen Ländern einen bescheidenen Zoll vor. Auch auf Weine, Seide, Kaffee und andere Luxusartikel wurden Zölle erhoben, und die Regierung wies die Zollbehörden an, das Gesetz strenger und energischer anzuwenden. Britische Kriegsschiffe in amerikanischen Gewässern erhielten Befehl, Schmuggler aufzugreifen, und die Ausgabe von writs of assistance (Blankovollmachten zu Haussuchungen) wurde genehmigt, um es den Beamten der Krone zu ermöglichen, Haussuchungen in verdächtigen Anwesen durchzuführen.

Die Kaufleute Neu-Englands waren an sich von den neuen Zöllen wenig beeindruckt; ihre Empörung war mehr von der Absicht der Regierung hervorgerufen, die Einhaltung der Zollgesetze zu erzwingen. Das war etwas vollkommen Neues, denn ein Menschenalter hindurch hatten die Neu-Engländer den grössten Teil des Zuckersirups, den sie brauchten, aus Französisch- und Niederländisch-Westindien bezogen, ohne Zoll zu bezahlen. So behaupteten sie jetzt, dass selbst die neuen, niedrigen Zollsätze sie zugrunderichten würden, und benutzten mit grossem Geschick die einleitenden Worte des Zuckergesetzes, um die Verfassung selbst in den Dienst ihrer Empörung über das neue Gesetz zu stellen. Das Recht des englischen Parlaments, den Handel des Empires gesetzlich zu regeln und zu diesem Zweck Waren mit Steuern zu belegen, war theoretisch, wenn auch nicht immer in der Praxis, längst anerkannt; aber das Recht, Zölle zu erheben, um „die Einkünfte dieses Königreichs (d. h. Englands) zu erhöhen", wie es im Zollgesetz von 1764 hiess, war neu, und daher anfechtbar.

Der Kampf um die Verfassung, der so begann und zu einer grossen Auseinandersetzung heranwuchs, trieb den ersten sprengenden Keil in den Stamm des britischen Reiches. „Ein einziger Parlamentsbeschluss", schrieb James Otis, ein zeitgenössischer Patriot, „hat in sechs Monaten mehr Menschen zu mehr Gedanken angeregt, als sie in ihrem ganzen früheren Leben gehabt hatten." Kaufleute, Volksvertretungen und Gemeindeversammlungen fochten das Gesetz als ungerecht an; Juristen in den Kolonien - unter ihnen Samuel Adams - entdeckten in der Präambel die erste Andeutung von „Besteuerung ohne parlamentarische Vertretung" (taxation without representation), Begriffen, die später zum geflügelten Wort wurden und viele Patrioten für den Kampf gegen das Mutterland gewannen.

Gegen Ende des Jahres erliess das englische Parlament ein Währungsgesetz (Currency Act), „um zu verhindern, dass Papiergeld, das künftig in den Kolonien Seiner Majestät herausgegeben würde, gesetzliches Zahlungsmittel würde." Da die Kolonien mehr ein- als ausführten und stets knapp an Hartgeld waren, lastete die neue Verordnung schwer auf ihrer Wirtschaft. Auch das 1765 erlassene Einquartierungsgesetz (Billeting Act) war den Kolonien unwillkommen; es verpflichtete Bürger der Kolonien, in denen Truppen des englischen Königs in Garnison lagen, Quartiere für die Soldaten bereitzustellen und zu ihrem Unterhalt beizutragen. So heftig auch der Unwille war, den diese Gesetze hervorriefen, organisierter Widerstand flammte erst auf, als durch eine weitere Massnahme das neue Kolonialsystem volle Wirklichkeit zu werden drohte. Es war das berüchtigte Stempel-steuergesetz (Stamp Act), kraft dessen alle Zeitungen, Plakate, Flugschriften, Erlaubnisscheine, Pachtverträge und andere gesetzlichen Urkunden mit Stempelmarken versehen werden mussten. Der Ertrag sollte einzig und allein für „Verteidigung, Schutz und Sicherung" der Kolonien verwandt werden; nur Amerikaner konnten zu Steuereinnehmern ernannt werden und die Steuern eintreiben, und die Lasten schienen so gleichmässig verteilt und so leicht zu tragen, dass das Parlament das Gesetz gebilligt hatte, ohne ihm besondere Aufmerksamkeit zu widmen oder lange darüber zu beraten.

Um so grösser war das Erstaunen selbst im Kreise wohlwollend-massvoller Geister über die Erbitterung, mit der alle dreizehn Kolonien auf das Gesetz reagierten. Es wurde ihm besonders zum Verhängnis, dass es gerade bei den einflussreichsten Gruppen von Kolonisten, die das Wort zu führen gewohnt waren, - Journalisten, Anwälten, Geistlichen, Handelsherren und Geschäftsleuten - auf geharnischte Ablehnung stiess und dass es alle Teile des Landes, Norden, Süden und Westen, gleich belastete. Bald taten sich führende Kaufleute, die nach dem neuen Gesetz jeden Frachtschein mit Stempelmarken hätten bekleben müssen, zum Widerstand zusammen und bildeten Vereinigungen zur Bekämpfung der Einfuhr britischer Waren. Die Geschäfte stockten fast ganz, und der Handel mit dein Mutterland ging im Sommer 1765 erheblich zurück. Im Volk bekannte Männer schlossen sich im Bund der „Freiheitssöhne" zusammen; bald mündete der politische Widerstand in Gewalttaten ein. Aufgeregte Volksmengen füllten die gewundenen Gassen Bostons; von Massachusetts bis nach Süd-Carolina wurde das Stempelsteuergesetz für null und nichtig erklärt; die Massen trieben die unseligen Steuereinnehmer aus dein Amt und vernichteten die verhassten Stempelmarken.

Das Stempelsteuergesetz war nicht nur deshalb bedeutsam, weil es revolutionären Widerstand entfachte, sondern auch, weil es die Amerikaner zwang, das Wesen der Reichseinheit in Rechtsbegriffe zu fassen, die auf amerikanische Verhältnisse anwendbar waren. So nahm zum Beispiel die Volksvertretung von Virginia unter dem Einfluss Patrick Henrys eine Reihe von Entschliessungen an, die „Besteuerung ohne Vertretung im Parlament" als beispiellose, gefährliche Neuerung und Bedrohung der kolonialen Freiheiten verdammten. Einige Tage danach forderte die Abgeordnetenkammer von Massachusetts alle Kolonien auf, Delegierte zu einem Kongress nach New York zu entsenden, um über die Gefahren des Stempelsteuergesetzes zu beraten.

Dieser Kongress (Oktober 1765) war das erste Treffen, zu dem die Kolonien sich aus eigener Initiative zusammengefunden hatten. Siebenundzwanzig kühne, tatkräftige Männer aus neun Kolonien benutzten die Gelegenheit, die öffentliche Meinung gegen die Einmischung des englischen Parlaments in amerikanische Angelegenheiten aufzurufen. Hitzige Redeschlachten wurden geschlagen; am Ende nahm der Kongress eine Reihe von Beschlüssen an und hielt daran fest, dass den Kolonien „verfassungsmässige Steuern, wie in der Vergangenheit so in alle Zukunft, nur durch ihre eigenen gesetzgebenden Körperschaften auferlegt werden könnten" und dass das Stempel-steuergesetz „offenkundig darauf abziele, die Rechte und Freiheiten der Kolonisten zu untergraben."

Damit war die Frage der Vertretung im Parlament in den Mittelpunkt des verfassungsrechtlichen Streits gerückt. Die Kolonisten behaupteten, nur dann wirklich im englischen Parlament vertreten zu sein, wenn sie tatsächlich Abgeordnete in das Unterhaus wählen durften. Dies widersprach dem herkömmlichen englischen Grundsatz „Vertretung bei Implikation" (virtual representation), d. h. Vertretung mehr nach Ständen und Interessen als nach geographischen Gesichtspunkten. Die meisten britischen Beamten waren der Auffassung, dass das Parlament das ganze Reich vertrete und dass es die gleiche Gewalt über die Kolonien habe wie über das Mutterland. Deshalb sei es ebenso befugt, für Massachusetts Gesetze zu erlassen, wie für Berkshire in England. Die amerikanischen Wortführer setzten dem entgegen, dass es ein „Reichsparlament" nicht gäbe und dass die Kolonien rechtlich nur mit der Krone verbunden seien. Der König habe der Gründung von Kolonien jenseits des Meeres zugestimmt, der König habe ihnen ihre Regierungen eingesetzt; er sei zwar genauso König von England wie König von Massachusetts, das englische Parlament habe aber nicht mehr Recht, für Massachusetts Gesetze zu erlassen, als Massachusetts für England. Wenn der König von einer Kolonie Geld haben wolle, so könne er um Bewilligung nachsuchen, Steuern aber dürften von einem britischen Untertan - ganz gleich, ob in England oder in Amerika - nur durch und über selbstgewählte Vertreter erhoben werden.

Es war natürlich, dass die britischen Parlamentarier die Argumente der Kolonisten nicht bereitwillig anerkannten. Die englischen Kaufleute jedoch übten einen wirksamen Druck auf die Parlamentarier aus, denn sie spürten die Folgen des amerikanischen Boykotts und setzten sich daher voll für eine Bewegung ein, die das Stempelsteuergesetz aufzuheben trachtete. Im Jahre 1766 gab das englische Parlament nach: es widerrief das Stempelsteuergesetz und veränderte das Zuckergesetz weitgehend. Die Kunde darüber rief in allen Kolonien lebhafte Freude hervor. Die Kaufleute hoben den Boykott englischer Ware auf, die „Freiheitssöhne" traten in den Hintergrund, der Handel ging seinen alten Gang; der Friede schien nah.

Aber es war nur eine Atempause. 1767 wurden neue Massnahmen erlassen, und alle alte Zwietracht lebte wieder auf. Charles Townshend, der britische Schatzkanzler, hatte den Auftrag erhalten, ein neues Finanzprogramm für die Regierung zu entwerfen, um die Steuern in England herabzusetzen. Dies konnte durch wirksamere Eintreibung der Zölle geschehen, die auf amerikanischem Handelsgut lagen; er ordnete deshalb eine verschärfte Anwendung der Zollgesetze an und schlug gleichzeitig weitere Zölle für die Papier-, Glas-, Blei- und Teeausfuhr von England nach den Kolonien vor. Der so erhöhte Steuerertrag sollte zum Teil für den Unterhalt der Gouverneure, Richter und Zollbeamten in den Kolonien sowie für die britische Armee in Amerika verwendet werden. Townshend regte ferner ein Gesetz an, das die höheren Gerichtshöfe in den Kolonien dazu ermächtigte, writs of assistance auszustellen und so die den Kolonisten verhassten allgemeinen Haussuchungsbefehle mit einem besonderen Rechtstitel auszustatten.

Die Erregung über Townshends Zollgesetze war fast so heftig wie die über das Stempelsteuergesetz. Die Kaufleute griffen erneut zu Boykottmassnahmen: Männer trugen Anzüge aus hausgewebten Stoffen, Frauen tranken Ersatz-Tee, Studenten schrieben auf einheimischem Papier und Häuser blieben unangestrichen. In Boston, wo die Handelsherren gegen Einmischung von aussen besonders empfindlich waren, begegnete man den neuen Bestimmungen mit Gewalt. Die Bevölkerung fiel über die Zollbeamten her und misshandelte sie, als sie die Steuern einzutreiben versuchten. Dies veranlasste die Engländer, zwei Regimenter nach Boston zu schicken, um die königlichen Beamten zu beschützen.

Dass von nun an britische Truppen in der alten Puritanerstadt standen, gab jedoch ständig zu neuen Unruhen Anlass. Achtzehn Monate schwelte die Erbitterung; endlich, am 5. März 1770, flammte offene Feindschaft zwischen Bürgern und Soldaten auf. Eine scheinbar harmlose Schneeballschlacht endete als Massenangriff auf die „Rotröcke": von irgendwoher kam der Befehl zu feuern, und drei Bostoner Bürger fanden den Tod auf den beschneiten Strassen. Die koloniale Propaganda war geschickt genug, diesen Zwischenfall dazu auszunutzen, den Hass gegen England immer stärker anzufachen, und machte das „Bostoner Massaker" zum dramatischen Beweis britischer Herzlosigkeit und Tyrannei.

Angesichts dieser Opposition wich das englische Parlament und widerrief 1770 sämtliche Townshend-Zölle mit Ausnahme des Teezolls, der bestehen blieb, weil es, wie Georg III. sagte, wenigstens eine Steuer geben müsse, damit Recht Recht bleibe. Die meisten Kolonisten sahen im Vorgehen des Parlaments wirklich eine „Abstellung von Beschwerden" (redress of grievances) und beendeten den Kampf gegen England. „Englischer Tee" durfte zwar nach wie vor nicht frei eingeführt werden, aber die Protestbewegung hatte sich nahezu gelegt, und das Verbot wurde scheinbar nicht allzu genau eingehalten. Die Lage schien im allgemeinen gute Beziehungen zwischen Mutterland und Kolonien zu versprechen: der Wohlstand war im Wachsen; die meisten politischen Führer in den Kolonien sahen der Zukunft mit Vertrauen entgegen, und Trägheit und Nachlässigkeit schienen Erfolg zu haben, wo Wagemut und Widerstand versagt hatten. Die Gemässigten, die überall in den Kolonien überwogen, begrüssten das friedliche Zwischenspiel, und nur eine einzige Gruppe gab sich während der dreijährigen Ruhepause ernsthaft Mühe, den Streit am Leben zu erhalten. Eine verhältnismässig kleine Anzahl „Patrioten" oder „Radikaler" vertrat den Standpunkt, dass der Sieg der Kolonisten illusorisch sei, denn solange die Teesteuer in Kraft sei, bleibe auch das Recht des Parlaments, für die Kolonien Gesetze zu geben, im Prinzip unangetastet und könne jederzeit in voller Schärfe, mit bitteren Folgen für die Freiheit der Kolonien, wiederausgeübt werden.

Samuel Adams aus Massachusetts, einer der einflussreichsten der „Patrioten", der erfolgreich und unermüdlich für das höchste Ziel, die Unabhängigkeit, kämpfte, kann als typischer Vertreter der Gruppe gelten. Seit seiner Promotion von Harvard College hatte es keine Zeit gegeben, wo er nicht in der einen oder anderen Weise im öffentlichen Dienst gestanden hätte - als Feuer-Inspektor, als Steuererheber, als Leiter von Bürgerversammlungen. Für das Geschäftsleben war er völlig unbrauchbar; in der Politik dagegen konnte seine klugberechnende Natur sich wirklich ausleben. Die Bürgerversammlungen Neu-Englands hatten ihm als Plattform gedient; er wusste Menschen für seine Zwecke zu gebrauchen und war gut Freund mit aller Welt; Schauerleute wie Prediger unterstützten vertrauensvoll seine Pläne. Es war wesentlich sein Verdienst, dass die einfachen Leute die übertriebene Achtung für gesellschaftlichen und politischen Rang zu überwinden lernten und zum Bewusstsein ihres eigenen Wertes durchdrangen. Um sie zu politischer Tat anzuleiten, schrieb er Zeitungsartikel, reizte Gemeinde- und Provinzialversammlungen zu Beschlüssen an und wühlte mit seinen Reden die demokratischen Leidenschaften auf. 1772 veranlasste Adams die Bostoner Bürgerversammlung, einen „Korrespondenz-Ausschuss" (committee of correspondence) zu wählen, um die Rechte und Beschwerden der Kolonisten darzulegen und mit anderen Städten darüber Meinungsaustausch zu pflegen. Die Anregung verbreitete sich rasch, und in allen Kolonien wurden „Korrespondenz-Ausschüsse" gegründet. Sie legten den Grund für die bald entstehenden revolutionären Organisationen.

1773 gab England endlich Adams und seinen politischen Freunden die ersehnte Gelegenheit zur Tat. Die mächtige East India Company war in Geldnöte geraten und hatte sich um Hilfe an die britische Regierung gewandt. Diese übertrug ihr das Teemonopol für die Kolonien. Seit Townshends „Teesteuer" hatten nun die Kolonisten den von der Gesellschaft eingeführten Tee boykottiert: nach 1770 hatte der Schleichhandel so zugenommen, dass etwa neun Zehntel des Tees, der in Amerika getrunken wurde, aus dem Ausland stammte und „zollfrei" ins Land gebracht worden war. Die East India Company entschloss sich angesichts dieses Schmuggels, ihren Tee durch eigene Vertreter zu einem Preise zu verkaufen, der erheblich unter dem der geschmuggelten Ware lag, um Gewinne aus Schleichhandel unmöglich zu machen und gleichzeitig die selbständigen kolonialen Kaufleute auszuschalten.

Dieser unbedachte Schritt empörte die Händler und trieb sie erneut auf die Seite der „Patrioten", denn das Prinzip des Monopols, nicht der Verlust im Teehandel, wurde als Hauptdrohung empfunden. Nahezu alle Kolonien unternahmen Schritte, um die East India Company an der Verwirklichung ihrer Absichten zu hindern. In den Hafenstädten - mit Ausnahme von Boston - wurden die Vertreter der Gesellschaft „überredet", ihre Posten aufzugeben; neu eintreffende Teesendungen wurden entweder nach England zurückgeschickt oder eingelagert. In Boston aber verweigerten die Vertreter der East India Company den Rücktritt und trafen mit Unterstützung des königlichen Gouverneurs Vorbereitungen, allem Widerstand zum Trotz die eingelaufenen Frachten zu löschen. Die „Patrioten" unter Samuel Adams antworteten mit Gewalt. Am Abend des 16. Dezember 1773 bestiegen als MohawkIndianer verkleidete Männer drei vor Anker liegende Teeschiffe und warfen die „anstosserregenden" schwarzen Blätter ins Meer.

England sah sich nun einer schicksalhaften Entscheidung gegenüber. Die East India Company hatte nach einem Gesetz des Parlaments gehandelt; blieb die gewaltsame Zerstörung des Tees ungestraft, dann würde alle Welt zu dem Schluss gezwungen sein, dass das britische Parlament die Macht über die Kolonien verloren hatte. Die offiziellen englischen Kreise verurteilten daher fast einstimmig die Boston Tea Party als einen Akt roher Zerstörungswut und begrüssten die Massnahmen, die zur Unterdrückung der aufrührerischen Kolonisten vorgeschlagen wurden, von ganzem Herzen. Neue Gesetze - von den Kolonisten „Zwangsgesetze" genannt - ergingen: das sogenannte Bostoner Hafengesetz sperrte den Hafen der Stadt solange, als der Tee nicht bezahlt war. Dies traf ins Herz, denn eine Stadt wie Boston war ohne Seeverkehr verloren. Bald darauf wurde der englische König ermächtigt, die Mitglieder des Rats von Massachusetts zu ernennen, die früher von den Kolonisten gewählt worden waren; Geschworene, bisher von den Bürgerversammlungen gewählt, sollten fortan von den Sheriffs - Mittelsmännern des Gouverneurs - berufen werden. Die Bürgerversammlungen durften nur noch mit Erlaubnis des Gouverneurs tagen; auch die Ernennung und Abberufung von Richtern und Sheriffs wurde ihm nun überantwortet. Ein Einquartierungsgesetz wurde erlassen, das die örtlichen Behörden zwang, geeignete Quartiere für britische Soldaten bereitzustellen. Kamen sie ihren Verpflichtungen nicht nach, dann konnten die Gouverneure Gaststätten, Bierkneipen oder andere Gebäude für diesen Zweck beschlagnahmen. Auch das ungefähr gleichzeitig erlassene „Quebec-Gesetz" (Quebec Act) wurde in den Kolonien feindselig aufgenommen, denn es vergrösserte die Provinz Quebec und gewährte den französischen Einwohnern Glaubensfreiheit und eigenes Recht. Die Kolonisten bekämpften dieses Gesetz, weil es ohne Rücksicht auf alte, urkundlich festgelegte Ansprüche in den Zug nach dem Westen störend einzugreifen und ihnen im Norden und Nordwesten durch eine römisch-katholisch beherrschte, absolutistische Provinz Halt zu bieten drohte. Obwohl das „Quebec-Gesetz" nicht als Strafe gedacht war, zählten es die Amerikaner zu den „Zwangsgesetzen", die schliesslich als „die fünf untragbaren Gesetze" in aller Munde waren.

Mit solchen Gesetzen war Massachusetts nicht zu bezwingen, ja, sie bewirkten gegen die Absicht des Gesetzgebers, dass andere Kolonien zu Hilfe eilten. Auf Anregung der Volksvertreter von Virginia wurden Delegierte der Kolonien für den 5. September 1774 zu einer Tagung nach Philadelphia geladen, um über „die gegenwärtige unglückliche Lage der Kolonien" zu beraten.

Mit diesem ersten „Kontinentalen Kongress" waren die Kolonien voll über das bestehende Recht hinausgegangen; seine Mitglieder waren von Provinzialkongressen oder Volksversammlungen gewählt und handelten nach ihren Aufträgen. Die Folge war, dass die Partei der „Patrioten", die über das bestehende Recht hinaus zu Taten gedrängt hatte, die Oberhand gewann und dass die Konservativen, die mit einer Auflehnung gegen britische Gesetze nichts zu tun haben wollten, im Kongress nicht vertreten waren. Im übrigen stellten die Kongressteilnehmer - von den gemässigten bis zu den stürmisch vorwärtsdrängenden - einen guten Querschnitt durch die öffentliche Meinung Amerikas dar. Abgesehen von Georgia hatte jede Kolonie zumindest einen Delegierten entsandt, und die Gesamtzahl von 55 Teilnehmern war gross genug, um Meinungsverschiedenheiten klar hervortreten zu lassen, klein genug, um echte Diskussionen und frische Taten zu ermöglichen.

Da die Meinungen in den Kolonien geteilt waren, sah sich der Kongress in einem leidigen Zwiespalt: er musste den Eindruck von Entschlossenheit und Einmütigkeit erwecken, um die britische Regierung zu Zugeständnissen zu überreden, und durfte doch keinerlei Radikalismus oder „Unabhängigkeitsgeist" zeigen, um die gemässigten Amerikaner nicht abzuschrecken. Einer vorsichtigen Eröffnungsrede folgte ein Beschluss, der die Kolonien vom Gehorsam gegen die „Zwangs-gesetze" freisprach. Daran schloss sich eine an das Volk von Grossbritannien und an die Kolonien gerichtete „Erklärung der Rechte und Beschwerden" (Declaration of Rights and Grievances) der Kolonien und eine Petition an den englischen König, die noch einmal die früheren Argumente gegen die englische Bevormundung zusammenfasste, dem Parlament jedoch die Zuständigkeit für den Aussenhandel der Kolonien und für die Angelegenheiten des Gesamtreiches nicht bestritt. Die wichtigste Leistung des Kongresses aber war die Bildung einer Association zur Wiederaufnahme des Handelsboykotts und zur Einrichtung von Überwachungsausschüssen in jeder Stadt und jedem Landkreis, um Einfuhr, Ausfuhr, und Verbrauch von Waren zu kontrollieren. Komitees sollten die Zollregister einsehen, die Namen der Kaufleute veröffentlichen, die gegen die Abmachungen verstiessen, importierte Ware konfiszieren und die Bevölkerung „zu Genügsamkeit, Sparsamkeit und Fleiss anhalten."

Mit der Association trat zum ersten Mal die organisierte Revolution auf den Plan, denn die neuen lokalen Organisationen rissen nun überall, auf den „Korrespondenz-Ausschüssen" aufbauend, die Führung an sich. Sie setzten alles daran, den letzten Rest königlicher Macht zu beseitigen; die Unentschlossenen wurden eingeschüchtert, bis sie sich der Volksbewegung anschlossen, die offenen Gegner rücksichtslos verfolgt. Die Komitees brachten das erste Kriegsmaterial zusammen, beriefen Truppen ein und erhitzten die Stimmung im Volk zur Weissglut.

Durch die Arbeit der Komitees der Association vertiefte sich der Zwiespalt, der nach und nach in der Bevölkerung entstanden war, zu einer unüberbrückbaren Kluft. Viele Amerikaner hatten der Widerstandsbewegung fürs erste zu grösserer Vorsicht geraten; sie waren in der überwiegenden Mehrheit gegen die Übergriffe Englands in die Rechte der Amerikaner, wollten jedoch die Gegensätze durch Diskussion und gütlichen Vergleich, nicht durch einen offenen Bruch, aus der Welt schaffen. Die zum Kompromiss neigende Gruppe war jedoch nicht einheitlich: sie schloss die Mehrheit der von der Krone bestellten Beamten aller Art ein, ferner viele bedeutende und unbedeutende Quäker und Mitglieder anderer religiöser Sekten, die Gewaltanwendung in jeder Form ablehnten; sie zählte viele Kaufleute, namentlich aus den Siedlungen der mittleren Region, und ein paar unzufriedene kleine Farmer und Grenzer aus dem Inneren der Kolonien im äussersten Süden. Auf der Seite der Patrioten standen nicht nur die ärmeren Klassen, sondern auch viele Angehörige der freien Berufe, besonders Anwälte, die Mehrheit der bedeutenden Pflanzer des Südens und eine beträchtliche Anzahl von Kaufleuten.

Was nach Erlass der „Zwangsgesetze" geschah, war durchaus geeignet, den Loyalisten Angst und Schrecken einzujagen. So wäre es dem König ein Leichtes gewesen, sich mit ihnen zu verbünden und durch rechtzeitigkluges Nachgeben ihre Position so zu stärken, dass die „Patrioten" die Feindseligkeiten nur schwer hätten fortsetzen können. Aber Georg III. dachte nicht daran, Zugeständnisse zu machen. Im September 1774 antwortete er auf eine Petition von Quäkern aus Philadelphia mit Verachtung: „Die Würfel sind gefallen", schrieb er; „die Kolonien müssen entweder siegen oder sich fügen." Durch diese Haltung zog der König den Loyalisten oder Tories, wie man sie nun zu bezeichnen anfing, den Boden unter den Füssen weg. Sie hatten ihren Gesinnungsgenossen jetzt nichts anderes zu bieten als eine vollkommene und verächtliche Unterwerfung und bedingungslose Annahme der äussersten Forderungen des englischen Parlaments. Den Gemässigten blieb nur die Wahl, die Patrioten, nun Whigs genannt, zu unterstützen; jeder andere Weg hätte sie um alle ihre Freiheiten gebracht. Eine regelrechte Verfolgung der Tories setzte ein: Müller weigerten sich, ihr Korn zu mahlen, Arbeiter wollten nicht für sie arbeiten, sie konnten weder kaufen noch verkaufen. Man schmähte sie als Verräter, und die Komitees veröffentlichten ihre Namen, „um sie zu wohlverdienter Schmach und Schande der Nachwelt zu überliefern."

General Thomas Gage, ein liebenswürdiger, mit einer Amerikanerin verheirateter englischer Gentleman, befehligte die Garnison in Boston, wo der Handel fast ganz der Politik zum Opfer gefallen war. Einer der führenden Patrioten der Stadt, Dr. Joseph Warren, hatte am 20. Februar 1775 einem Freunde nach England geschrieben: „Noch ist es für die gütliche Beilegung des Konflikts nicht zu spät. Sollte General Gage jedoch tatsächlich mit seinen Truppen ins Hinterland marschieren, um die unlängst vom Parlament erlassenen Gesetze mit Gewalt durchzusetzen, dann bin ich allerdings überzeugt, dass Grossbritannien zumindest Neu-England und, wenn mich nicht alles täuscht, ganz Amerika wird Adieu sagen müssen. Wenn in der Nation noch ein bisschen Weisheit lebt, so gebe Gott, dass ihr schleunigst zu ihrem Recht verholfen werde!"

General Gage aber hatte die Pflicht, den „Zwangsgesetzen" Achtung zu verschaffen. Er erhielt die Nachricht, dass die „Patrioten" von Massachusetts Pulver und andere Kriegsvorräte in der im Hinterland gelegenen Stadt Concord, gute dreissig Kilometer von Boston entfernt, zusammengetragen hatten, und entsandte am Abend des 18. April 1775 eine starke Abteilung seiner Garnison dahin, um die Vorräte zu beschlagnahmen und Samuel Adams und John Hancock festzunehmen. (Beide sollten auf Befehl des Königs nach England gebracht und dort wegen Hochverrats abgeurteilt werden.) Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und als die britischen Truppen nach einem Nachtmarsch das Dorf Lexington erreichten, sahen sie im frühen Morgennebel eine Bereitschaft von fünfzig grimmigen, bewaffneten Kolonisten (Minute Men) auf der Gemeindewiese angetreten. Ein Moment des Zauderns, Rufe und Befehle auf beiden Seiten, und dann - inmitten des allgemeinen Lärms - ein Schuss! Beide Seiten gaben Feuer; als sich die Amerikaner zerstreut hatten, waren acht ihrer Leute auf dem Felde geblieben. Das erste Blut im Unabhängigkeitskriege war geflossen.

Die englischen Soldaten stiessen bis Concord vor, wo die „Farmer, in Schlachtordnung" an der Brücke aufgestellt, „den Schuss abgaben, der in der ganzen Welt widerhallte." Nachdem die britischen Regimenter wenigstens einen Teil ihres Zieles erreicht hatten, traten sie den Rückmarsch an; doch auf dem ganzen Weg lauerte hinter Steinmauern, Erdhügeln und Häusern die Miliz, die aus den nahen Dörfern und Farmen herbeigeeilt war, um die leuchtend roten Röcke aufs Korn zu nehmen. Die Beteiligung des Volkes an diesem ersten Gefecht der Revolution war so stark, dass der britische Trupp von ursprünglich 2 500 Mann nahezu dreimal so hohe Verluste zählte wie die Kolonisten, als er schliesslich erschöpft nach Boston zurückgekommen war.

Der Bericht von Lexington und Concord durchfuhr die Kolonien wie ein elektrischer Schlag. Krieg - richtiger Krieg - stand vor der Tür, darüber konnte kein Zweifel mehr bestehen. Ein Komitee gab das Signal dem anderen weiter, die dreizehn Staaten hindurch, der Funke - Lexington - hatte gezündet und den gemeinsamen Verteidigungswillen entflammt. Innerhalb von zwanzig Tagen hatte die Nachricht, oft einseitig ausgeschmückt, das Volk von Maine bis Georgia in Patriotismus vereint. Während Lexington und Concord noch in aller Munde waren, trat der Zweite Kontinentale Kongress am 10. Mai 1775 in Philadelphia unter dem Vorsitz von John Hancock, einem reichen Bostoner Kaufmann, zusammen. Wie Thomas Jefferson gehörte ihm auch der ehrwürdige Benjamin Franklin an, der eben in London als „Mittelsmann" verschiedener Kolonien vergeblich einen Ausgleich zustandezubringen gesucht hatte.

Der Kongress hatte sich kaum konstituiert, als er sich schon mit dem Problem des offenen Krieges befassen musste. Die wahre Stimmung des Kongresses offenbarte sich, trotz einiger Gegenströmungen, in einer aufrüttelnden Erklärung über „Ursachen und Notwendigkeit des Waffenganges", von John Dickinson und Thomas Jefferson gemeinsam verfasst:

„Unsere Sache ist gerecht, unsere Einigkeit vollkommen. Unsere eigenen Hilfsmittel sind bedeutend, Hilfe vom Ausland wird, wenn nötig, ohne allen Zweifel zu erhalten sein ... Wir werden die Waffen, die uns unsere Feinde in die Hand gezwungen haben, . . . für die Erhaltung unserer Freiheiten führen, einmütig entschlossen, lieber als freie Männer zu sterben denn als Sklaven zu leben . . ."

Noch während der Beratung dieser Erklärung übernahm der Kontinentale Kongress die Milizen der Kolonien und ernannte Oberst George Washington zum Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte. Innere Echtheit, Selbstbeherrschung und Würde machten ihn menschlich überlegen und hielten Leidenschaft und Geduld im Gleichgewicht; er war von vollendetem physischem und moralischem Mut und besass hohe Führerqualitäten; ein gesundes Urteil und ein zuverlässiges Wissen machten ihn gross, und sein gesunder Menschenverstand „erhob ihn ins Geniale." Glaubte er an eine Sache, so stand er aufrichtig, fest und überzeugt zu ihr. „Niederlagen sind nur ein Grund für noch grössere Anstrengungen", schrieb er. „Das nächste Mal werden wir es besser machen." Die Siege der kommenden Jahre entsprangen diesem Geist und seiner Gabe für militärische Organisation.

Trotz der kriegerischen Verwicklungen aber und trotz der Ernennung eines Oberbefehlshabers war der Gedanke einer völligen Trennung von England vielen Kongressmitgliedern und einem grossen Teil des Volkes noch immer zuwider. Die öffentliche Meinung war für einen so drastischen Schritt noch nicht reif. Dabei war es allen klar, dass die Kolonien nicht ewig in einer Zwitterstellung zum Empire verbleiben konnten. Die Gemässigten redeten sich jedoch ein, dass sie nicht den König, sondern nur seine Minister bekämpften, und noch im Januar 1776 tranken General Washington und seine Offiziere allabendlich auf die Gesundheit des Königs. Im Laufe der nächsten Monate zeigte es sich immer deutlicher, wie schwer es für die Kolonien war, Krieg zu führen, solange sie noch zum britischen Empire gehörten.

England aber verweigerte einen gütlichen Vergleich, und am 23. August 1775 erliess König Georg eine Proklamation, in der der Stand der Kolonien als Rebellion bezeichnet wurde. Fünf Monate später erschien Thomas Paines „Common Sense", eine Flugschrift von fünfzig Seiten. In kraftvoll-flammenden, aufrüttelnden Worten machte er seinen Lesern klar, dass die Unabhängigkeit der Kolonien notwendig geworden war; er verstand, dass die geheiligte Person des Königs der Bewegung am stärksten im Wege stand, und griff sie an: er machte die Idee des Erbkönigtums lächerlich und erklärte, dass ein ehrlicher Mann wertvoller für die Gesellschaft sei als „alle gekrönten Lumpen, die je gelebt haben." Es klang überzeugend, wenn er die Alternative formulierte: dauernde Unterwerfung unter einen tyrannischen König und eine überlebte Regierungsform, oder Freiheit und Glück in einer unabhängigen, auf sich selbst gestellten Republik.

Die Broschüre hatte unabsehbare Wirkungen. In wenigen Monaten waren Tausende von Exemplaren überall in den Kolonien verbreitet und halfen, Überzeugungen zu festigen und Unentschlossene und Schwankende für die Sache der Freiheit zu gewinnen.

Wohl begann das Volk jetzt, den Gedanken der Trennung vom Mutterland ernsthaft zu erwägen; aber noch blieb die Aufgabe, jede einzelne Kolonie für eine formelle Unabhängigkeits-erklärung zu gewinnen. Paine hatte darauf hingewiesen, dass die Kolonien „den Gipfel der Inkonsequenz erreicht hätten": sie befänden sich in offenem Aufruhr, besässen ein eigenes Heer und eine eigene Flotte, ihre Regierungen kümmerten sich weder um den König noch um das Parlament. In dieser Situation nicht den letzten Schritt zu tun, sei die Höhe der Ungereimtheit.

Im Kontinentalen Kongress herrschte Einstimmigkeit darüber, dass ein so endgültiger Schritt wie die Erklärung der Unabhängigkeit nicht ohne ausdrückliche Anweisung der Kolonien unternommen werden dürfe. Aber Tag für Tag hörte der Kongress, dass neue, jenseits des alten Rechts stehende Regierungen in den Kolonien errichtet und dass Delegierte ermächtigt worden waren, für die Unabhängigkeit zu stimmen. Gleichzeitig gewannen die Radikalen innerhalb des Kongresses mehr und mehr die Oberhand; sie bauten ihre "Korrespondenz-Ausschüsse" aus, erhielten schwache Komitees künstlich am Leben und erhitzten die patriotischen Gemüter mit flammenden Aufrufen. Schliesslich, als am 10. Mai 1776 eine Entschliessung angenommen wurde, „den gordischen Knoten zu durchhauen", fehlte nur noch die formelle Erklärung. Am 7. Juni brachte Richard Henry Lee aus Virginia auf Anweisung seines Staates eine Resolution ein, die sich für Unabhängigkeit, Bündnisse mit dem Ausland und einen föderativen Zusammenschluss der amerikanischen Kolonien aussprach. Unverzüglich wurde ein Komitee bestimmt, um in aller Form eine Erklärung aufzusetzen, in der „die Gründe, die uns zu diesem gewaltigen Entschluss gezwungen haben", dargelegt werden sollten. Ein fünfköpfiger Ausschuss unter der Leitung von Thomas Jefferson wurde mit der Ausarbeitung des Dokuments beauftragt.

Jefferson, der von der Abgeordnetenkammer von Virginia nach Philadelphia entsandt worden war, besass trotz seiner 33 Jahre bereits einen guten Ruf als Politiker. Obwohl er dem (niederen) Patriziat Virginias entstammte, war er in seinen Jugendjahren, die er im demokratischen Hinterland verbracht hatte, zum Feind patrizischer Rechte und Privilegien geworden; Reiten, Schiessen und eine Vorliebe für Geigenspielen hatten ihn nicht gehindert, seinen mächtigen Wissensdurst, wo und wie immer er konnte, zu befriedigen. Es steht ausser Frage, dass kein geeigneterer Mann für die Abfassung der grossen Erklärung hätte gefunden werden können. Jefferson wusste, dass ein bitterer Krieg über Amerika hereinbrechen würde, aber er glaubte daran, dass „der Baum der Freiheit von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen begossen werden müsse!" Und obwohl zu jenem Zeitpunkt noch kein System gefunden worden war, das die Funktionen der früheren Regierung, auf deren Zerstörung nun alles hinzielte, hätte übernehmen können, befürwortete Jefferson zu keiner Zeit ein allzustrammes Regiment. Er wusste, dass die Regierungsgewalt nur beim Volke selbst sicher aufgehoben war. Die Herrschaft einer kleinen Zahl von Auserwählten bezeichnete er als „verwerfliche Verschwörung gegen das Glück der Massen." Jefferson empfand die grossen Grundsätze, die in der Unabhängigkeitserklärung ausgesprochen sind, mit derselben Tiefe wie das einfache Volk, für das er sie schrieb; er sprach die Sprache des Volkes und dachte seine Gedanken; wie ein Zeitgenosse es ausdrückte, „er hauchte dem kalten Geschehen, das zur Unabhängigkeit führte, die Seele des neuen Erdteils ein."

Die am 4. Juli 1776 angenommene Unabhängigkeitserklärung verkündete nicht allein die Geburt einer neuen Nation, sondern vertrat eine Lehre von der Freiheit der Menschen, die eine dynamische Kraft in der gesamten westlichen Welt werden sollte. Sie wollte nicht einzelne besondere Beschwerden zum Ausdruck bringen, sondern den Gedanken von der Freiheit des Individuums verkünden, der der Unterstützung ganz Amerikas sicher war. Ihr politisches Glaubensbekenntnis war unmissverständlich:

„Wir halten diese Wahrheiten für unmittelbar einleuchtend: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräusserlichen Rechten ausgestattet sind, so mit Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück; dass zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen aufgerichtet sind, die ihre gerechten Vollmachten von der Zustimmung der Regierten herleiten; und dass, so jemals eine Regierungsform diesen Zielen gefährlich werden sollte, das Volk das Recht hat, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen, die auf solchen Prinzipien gegründet ist, und deren Befugnisse in einer Weise festgelegt sind, die ihm am meisten geeignet erscheint, Sicherheit und Glück zu gewährleisten."

„Diese Wahrheiten" waren nicht ursprüngliche Schöpfungen Jeffersons, sondern bildeten politische Ideen, die seinen Zeitgenossen und den meisten Menschen, die nach ihnen kamen, „unmittelbar einleuchteten." Jeffersons Ideen und Formulierungen hatten ihren Ursprung in der politischen Philosophie Englands, vor allem in James Harringtons Oceana und in John Lockes Second Treatise on Government (Zweitem Traktat über Regierung). Aber der Geist des Dokuments entsprang der erwachenden Gewissheit der Menschen, dass die Regierung für das Volk da sein soll und nicht das Volk für die Regierung. Jefferson sah Zweck und Ziel einer Regierung darin, den Menschen zu helfen und ihr Leben, ihre Freiheit und ihr Glück zu schützen, nicht, sie zu unterdrücken oder zu missbrauchen.

Die Unabhängigkeitserklärung diente nicht allein dazu, die Trennung von England anzukündigen. Sie begeisterte die Massen für die Sache Amerikas, denn sie weckte in den einfachen Menschen das Bewusstsein ihrer eigenen Bedeutung und feuerte sie an, für persönliche Freiheit, Selbstverwaltung und einen würdigen Platz in der Gesellschaft zu kämpfen. Und da die in der Unabhängigkeitserklärung erhobenen Anklagen den englischen König Georg III. zum Mittelpunkt hatten, wurde der Konflikt zu einer persönlichen Auseinandersetzung - statt eines Protestes gegen tote Paragraphen und ein abstraktes Parlament zu einem Kampf gegen einen unmittelbaren Gegner aus Fleisch und Blut: Es war die eigene Sache, für die man kämpfte, und der persönliche Feind, den es zu besiegen galt: das brachte die Revolution dem Volke nahe und verlieh ihr die begeisternde Kraft einer Volksbewegung.

Der Unabhängigkeitskrieg zog sich über sechs Jahre hin; es gab Scharmützel in allen Kolonien, doch nicht mehr als zwölf davon waren Schlachten von Bedeutung. Schon vor der Unabhängigkeitserklärung war es zu Kampfhandlungen gekommen, die einen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Krieges hatten, so z. B. zur Unterdrückung der Loyalisten in Nord-Carolina im Februar 1776 und zur Vertreibung der britischen Streitkräfte aus Boston im März desselben Jahres. In den ersten Monaten ihrer Unabhängigkeit erlitten die Amerikaner eine Reihe schwerer Rückschläge, den ersten in New York.

Washington hatte vorausgesagt, dass New York, der Nachschubhafen Neu-Englands für Kriegsmaterial und Truppen, eines der ersten militärischen Ziele des Feindes werden würde. Der britische Befehlshaber, General Sir William Howe, griff die Stadt jedoch nicht gleich zu Anfang an. Er war ein Freund der amerikanischen Sache und wollte das Schwert nicht ziehen, ohne es zuvor mit einem Ölzweig versucht zu haben; er versprach den Rebellen, der englische König werde Milde walten lassen, wenn sie den Kampf einstellten. Wirksame Sicherheiten für eine Freiheit im Rahmen des Empires waren jedoch nicht von ihm zu erhalten; sein Angebot wurde zurückgewiesen, und nun rückten dreissigtausend britische Soldaten, unterstützt von der britischen Flotte, gegen General Washingtons achtzehntausend Mann vor.

New York war kaum zu verteidigen; darüber war sich Washington im klaren. Aber die Ehre verlangte, dass die Stadt nicht kampflos preisgegeben würde. Eine Schlacht entwickelte sich: Washington machte strategische Fehler; die Generäle führten seine Befehle nicht aus, und die Übermacht der Engländer war überwältigend. Als er seine Stellung nicht mehr halten konnte, setzte er in einem meisterhaften Rückzug seine Truppen in Booten von Brooklyn nach Manhattan über. Zum Glück blies ein starker Nordwind, so dass die britischen Kriegsschiffe den East River nicht befahren konnten. Hätte Howe verstanden, was sich ereignete, dann hätte er die amerikanische Sache empfindlich treffen, vielleicht dem Krieg überhaupt ein Ende machen und Washingtons Armee gefangen nehmen können. Der Kongress hätte dann nur unter allergrössten Schwierigkeiten ein neues Heer aufstellen können. Howe aber verfehlte die Gelegenheit.

Washington wurde immer weiter zurückgedrängt, konnte jedoch seine Truppen bis Jahres-ende einigermassen zusammenhalten. Die wichtigen Siege von Trenton und Princeton liessen die Hoffnungen der Kolonisten wieder aufleben. Dann kam neues Unglück. Im September 1777 eroberte Howe Philadelphia, vertrieb den Kongress und zwang Washington und seine Soldaten zu einem Winter voll Verzweiflung in Valley Forge. Die Patrioten erfroren fast an ihren Lagerfeuern und ihre wunden Füsse hinterliessen blutige Spuren im Schnee. Die Niederlage schien sicher.

Dieser gleiche bittere Herbst 1777 brachte jedoch den Amerikanern mit dem grössten Sieg, den sie im Revolutionskrieg errangen, den Wendepunkt ihres militärischen Schicksals. Der britische General Burgoyne hatte seine Truppe von Kanada nach Süden verschoben, um die Linie Champlain-See - Hudson zu besetzen und so Neu-England völlig von den anderen Kolonien zu isolieren, und hatte den Oberlauf des Hudson erreicht, wo er bis Mitte September auf Nachschub warten musste, ehe er weiter nach Süden vordringen konnte. Er wusste so wenig von amerikanischer Geographie, dass er es für ein leichtes hielt, mit einer Streifabteilung durch Vermont den Connecticut entlang nach Süden und wieder zurück zu marschieren und unterwegs Vieh, Zugtiere, Wagen und wenigstens dreizehnhundert Kavalleriepferde für die Armee zu requirieren - alles in vierzehn Tagen! Die dreihundertfünfundsiebzig unberittenen hessischen Dragoner und etwa dreihundert Tories, die er für dieses Stückchen ausgesucht hatte, erreichten nicht einmal Vermont. Die Miliz von Vermont hielt sie auf, und nur wenige Hessen fanden je den Weg zurück. Unterdessen hatten die Amerikaner im Mohawktal die vom Erie-See anrückenden britischen Verstärkungen daran gehindert, sich mit Burgoyne zu vereinigen.

Die Schlacht an der Grenze Vermonts hatte die Bevölkerung des nördlichen Neu-England zu den Waffen gerufen; Burgoynes erzwungener Aufenthalt ermöglichte es Washington, ihnen reguläre Truppen vom unteren Hudson zu Hilfe zu schicken. (Die Truppen in Valley Forge waren inzwischen durch den deutschen Baron Friedrich Wilhelm von Steuben, den neuernannten verdienten Generalinspekteur der Armee, zu einer kampftüchtigen Einheit zusammengeschweisst worden.) Als Burgoyne seine schwerfällige Streitmacht endlich in Marsch bringen konnte, lief er einer von den Erfolgen ihrer Waffengefährten trunkenen Yankee-Miliz in die Arme, die durch reguläre Truppen verstärkt worden war und von einem ausgezeichneten General der regulären Armee befehligt wurde. Als der erste frühe Frost einfiel, begann der Kampf. Zwei Angriffe Burgoynes wurden abgeschlagen, dann wichen die Briten nach Saratoga zurück, viele Hessen liefen vor dem Herbstregen davon, Amerikaner schwärmten auf allen Seiten und bedrohten Vor- und Nachhut und die Flanken. Am 17. Oktober 1777 ergab sich Burgoyne mit seiner gesamten, noch immer über fünftausend Mann starken Armee dem amerikanischen General Gates. Das war der Schlag, der letztlich den Krieg entschied, denn er hatte nicht nur weitreichende strategische Folgen, sondern brachte auch Englands Erzfeind Frankreich auf Amerikas Seite.

Seit seiner Niederlage im Jahre 1763 hatte Frankreich nach einer Gelegenheit für Revanche Ausschau gehalten. Seine Begeisterung für die Sache der Amerikaner war gross; die gebildete Schicht in Frankreich war in Aufruhr, noch nicht eigentlich für eine Republik, aber gegen Feudal-herrschaft und Privilegien, und nach der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung hatte man Benjamin Franklin am französischen Hofe äusserst warm empfangen. Die französische Regierung war von Anfang an nicht neutral gewesen, sondern hatte Amerika mit Waffen und anderem Kriegsbedarf unterstützt, scheute aber zunächst noch vor einer offenen Intervention zurück, um Krieg mit England zu vermeiden. Nach Burgoynes Kapitulation jedoch gelang es Franklin, einen Handels- und Bündnisvertrag abzuschliessen, in dem die Partner einander versprachen, bis zur Anerkennung der Unabhängigkeit Amerikas gemeinsame Sache zu machen. Viele französische Freiwillige hatten sich ohnedies schon nach Amerika eingeschifft. Der hervorragendste unter ihnen war der Marquis de Lafayette, ein Offizier der Armee, der voll jugendlicher Begeisterung darauf brannte, Amerikas Freiheitskampf zu unterstützen, Frankreichs Ruhm zu erhöhen und England zu demütigen und dabei seine persönlichen militärischen Fähigkeiten zu beweisen. Er trat als General ohne Besoldung in Washingtons Armee ein und bewährte sich so ausgezeichnet, dass er die Achtung des grossen Amerikaners gewann, den er wie einen Helden verehrte.

Im Winter 1779/80 fuhr Lafayette nach Versailles und bestürmte die französische Regierung, ernstlich einzugreifen und den Krieg einem baldigen Ende zuzuführen. Bald darauf entsandte Ludwig XVI. ein ausgesuchtes Expeditionskorps von sechstausend Mann unter General Rochambeau, und französische Flotteneinheiten verschärften die Nachschub- und Verpflegungs-schwierigkeiten der Engländer, deren Handel schwer durch die französischen und amerikanischen Blockadebrecher (Privateers - Freibeuter - genannt) und durch die Aktionen des verwegenen amerikanischen Kapitäns John Paul Jones litt. Auch der Kriegseintritt Spaniens und der Niederlande schadete England.

Trotzdem kämpften die Briten hartnäckig weiter. 1778 zwang sie die französische Flotte, Philadelphia zu räumen, und im gleichen Jahr erlitten sie im Ohiotal eine Reihe von Rückschlägen, die den Amerikanern die Herrschaft über den Nordwesten sicherten. Im Süden aber behielten sie die Führung. Zu Beginn des Jahres 1780 besetzten sie Charleston, den wichtigsten Hafen des Südens, und, vorübergehend, die Carolina-Kolonien. Das Jahr darauf versuchten sie, Virginia zu erobern. Im Sommer des gleichen Jahres gewann jedoch die französische Flotte zeitweilig die Kontrolle über den Chesapeake und einen Teil der amerikanischen Küstengewässer. Washingtons und Rochambeaus Truppen wurden in Kriegsschiffen über die Chesapeakebucht gesetzt und schlossen, insgesamt fünfzehntausend Mann stark, Lord Cornwallis' achttausend Mann bei Yorktown an der Küste Virginias ein. Cornwallis' Übergabe am 19. Oktober 1781 setzte Englands Versuchen, die Revolution mit Waffengewalt niederzuschlagen, ein Ende.

Als der Sieg der Amerikaner bei Yorktown in Europa bekannt wurde, beschloss das englische Unterhaus, den Krieg zu beenden. Kurz darauf trat der Ministerpräsident, Lord North, zurück, und der König berief eine neue Regierung, die Amerikas Unabhängigkeit anerkennen und Frieden schliessen sollte. Im April 1782 begann die letzte, ernste Phase der Friedensverhandlungen, die sich bis zur Unterzeichnung von Präliminarverträgen Ende November hinzogen. Die Verträge sollten jedoch erst in Kraft treten, wenn auch Frankreich mit Grossbritannien Frieden geschlossen hatte. 1783 wurden die Abmachungen als definitiv anerkannt und unterzeichnet.

Der Friedensvertrag bestätigte den dreizehn amerikanischen Staaten Unabhängigkeit, Freiheit und Souveränität und sprach ihnen das begehrte Gebiet im Westen bis zum Mississippi zu; die Nordgrenze verlief ungefähr auf der heutigen Linie. Der Kongress sollte darauf hinwirken, dass die Staaten den Loyalisten ihren beschlagnahmten Besitz zurückerstatteten, und die Bevölkerung der Vereinigten Staaten erhielt das Recht, vor der neufundländischen Küste zu fischen und den Fang in den unbesiedeltenTeilen Neu-Schottlands und Labradors zu trocknen. Mit der gewonnenen Unabhängigkeit waren die Amerikaner nicht nur aller auswärtigen Herrschaft ledig, sondern hatten auch die Freiheit erkämpft, ihre neue Gesellschaft auf den politischen Idealen ihrer eigenen, von Europa verschiedenen Umwelt aufzubauen. Wohl hatten die Kolonien bei ihrem Aufstand den grössten Nachdruck auf Anerkennung ihrer Rechte unter der englischen Verfassung gelegt: in Tat und Wahrheit aber hatten sie für neue politische Ideen gekämpft, die ihr alleiniges Eigentum waren: für Selbstregierung durch das Volk, das Grundprinzip der amerikanischen Demokratie, und, als ein Zweites, für örtlichdemokratische Selbstverwaltung, d. h. für das Recht, unter Gesetzen zu stehen, die nicht Tausende von Kilometern entfernt gemacht worden waren. Der Geist Amerikas ertrug keinen Unterschied zwischen Mensch und Mensch vor dem Gesetz.

Das Wahlrecht, das bei Abschluss der Revolution noch beschränkt war, wurde mit jedem Jahrzehnt weiter ausgedehnt und wurde allgemein und gleich. Die Gewissheit, dass Menschen unveräusserliche Rechte haben, drang in die ganze Weit; binnen vierzig Jahren waren sämtliche spanischen Besitzungen in Amerika dem Beispiel der englischen Kolonien gefolgt. Wo immer in Europa die Revolution scheiterte, konnten die Menschen nach der Neuen Welt auswandern und die zutiefst ersehnte Freiheit finden. Es war das neue, revolutionäre Amerika, nach dem die Freunde der Freiheit nun aus allen Teilen der Alten Welt zu strömen begannen, und Benjamin Franklin, der während des Krieges in Frankreich tätig gewesen war, hatte den Wanderungsstrom vorausgesagt: „Die Tyrannei in der Welt ist so allgemein, dass die Aussicht auf eine Zuflucht in Amerika alle Freiheitsliebenden mit tiefem Glücksgefühl erfüllt. . ."

Der Norweger Henrich Steffens erinnerte sich noch in seinem späteren Leben an den Tag, da der Sieg der Kolonien in Dänemark, wo er seine Kindheit verbracht hatte, verkündet worden war:

„Ich erinnere mich noch lebhaft des Tages, an dem der Friedensschluss, der Sieg im Kampf um die Freiheit, gefeiert wurde. Es war ein schöner Tag. Die Schiffe im Hafen waren festlich geschmückt, von den Masten wehten lange Wimpel. Die prächtigsten waren am grossen Flaggenmast achtern aufgezogen, andere flatterten am Bug oder waren zwischen die Masten gespannt. Eine leichte Brise war aufgekommen und blähte Fahnen und Wimpel . . . Vater hatte ein paar Gäste ins Haus gebeten, und wir Knaben durften gegen die sonst im Hause herrschende Gewohnheit bei Tisch erscheinen. Vater erläuterte die Bedeutung des festlichen Tages, man füllte auch unsere Gläser mit Punsch, und während wir tranken und die neue Republik hochleben liessen, wurden die dänische und die nordamerikanische Flagge in unserem Garten gehisst ... Die Vorahnung grosser Ereignisse, die dieser Sieg nach sich ziehen würde, füllte die Herzen mit Jubel. Es war der Frühschein eines neuen Morgens, der nach einem blutigen Tag der Geschichte freundlich emporstieg."